AUTOREN

John L. Bellows, Ph.D.
Portfolio Manager,
Western Asset
United States
Bei der heutigen Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) beließ die US-Notenbank (Fed) die Zinssätze erneut unverändert. Dies ist bereits die dritte Sitzung in Folge, in der dies der Fall ist. Auch wenn der Fed-Vorsitzende Jerome Powell erklärte, dass die Fed die Zinsen bei Bedarf wieder anheben könnte, äußerte er sich in diesem Punkt weit weniger energisch als bei früheren Sitzungen. Der Vorsitzende Powell sieht es offenbar ähnlich wie der Markt, der davon ausgeht, dass die letzte Anhebung in diesem Zyklus im vergangenen Juli stattfand.
Natürlich wurde die Aussicht auf Zinssenkungen thematisiert, wobei es insbesondere um den möglichen Zeitpunkt von Zinssenkungen im Jahr 2024 ging. Notenbankchef Powell ließ verlauten, dass zwar in nächster Zeit keine Zinssenkungen zu erwarten seien, es aber doch viele Szenarien mit Argumenten für Senkungen in nicht allzu ferner Zukunft gebe. Wir halten es für sinnvoll, die Debatte über Zinssenkungen auf die Frage auszurichten, ob die Zinssätze so hoch sein müssen. An dieser Stelle möchte ich unser Fazit vorwegnehmen: Sollte die Inflation in der Nähe des Zielwerts liegen und sich das Wachstum nahe am Trend bewegen, dann sollten die Zinssätze annähernd neutral sein und nicht auf dem hohen Niveau der Fed-Prognosen bleiben.
Das wirtschaftliche Umfeld
Die Inflation ist deutlich von ihrem Höchststand des vergangenen Jahres zurückgegangen. In den letzten drei Monaten ist der Kernpreisindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE) mit einer annualisierten Rate von 2,3 % gestiegen. Noch vor etwas mehr als einem Jahr stieg die gleiche Kennzahl mit einer annualisierten Rate von 5,5 %. Der drastische Rückgang der realisierten Inflation ist Ausdruck einer ganzen Reihe von Verbesserungen. Im Zuge der stabileren Lieferketten und der Normalisierung der Warennachfrage im Vergleich zur Nachfrage nach Dienstleistungen sind die Warenpreise gesunken. Das Lohnwachstum ist aufgrund einer stetigen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt schwächer geworden. Dieser Umstand hat dazu beigetragen, dass sich das Tempo der Inflation im Dienstleistungssektor verringert hat. Die monatlichen Mietsteigerungen sind aufgrund des geringeren Einkommenswachstums und der Zunahme des Angebots an Mehrfamilienhäusern gegen null gesunken. Überdies spricht einiges dafür, dass sich die Inflation vor allem im Dienstleistungssektor weiter abschwächen wird, da eine weitere Entspannung auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Zeit eines der wichtigsten verbleibenden Probleme der Corona-Zeit ausräumen wird.
Die Entwicklung des BIP-Wachstums war im Gegensatz zum stetigen Rückgang der Inflation in den letzten 18 Monaten deutlich unbeständiger. Zur Jahresmitte 2022 erreichte das Wachstum einen Tiefpunkt, als die Wiedereröffnung nach der Pandemie abgeschlossen zu sein schien. Darauf folgte im Frühjahr 2023 ein Schreckensszenario im Zusammenhang mit den regionalen Banken und der Verschärfung der Kreditbedingungen. Dies wich wiederum einigen Monaten mit überraschend starkem Wachstum im Sommer 2023, das durch einen Anstieg des Konsums ausgelöst und durch ein schneller als erwartetes Beschäftigungswachstum verstärkt wurde. In letzter Zeit scheint das Wachstum etwas nachgelassen zu haben, und die neuesten Daten zeigen ein trendmäßiges Wachstum bis Ende 2023.
Wie wird sich das Wirtschaftswachstum entwickeln? Pessimistische Beobachter betrachten den regionalen Bankenschock vom letzten Frühjahr als einen Vorboten einer stärkeren Verschärfung der Finanzkonditionen. Optimistische Beobachter nennen den Wachstumsschub des Sommers als Beleg dafür, dass die erhöhten Zinssätze womöglich nicht die weithin erwarteten schädlichen Auswirkungen haben. Das wohl wahrscheinlichste Szenario liegt irgendwo in der Mitte. Hohe Zinsen und schwierige Kreditbedingungen sind vor allem für Sektoren, die auf langfristige Investitionen angewiesen sind (z. B. der Wohnungsbau und das verarbeitendes Gewerbe), von Nachteil. Auch der Konsum wird sich voraussichtlich abschwächen, da die Preise weiterhin hoch sind und das Einkommenswachstum insgesamt nicht mit der Inflation Schritt gehalten hat. Gleichzeitig wird der Abschwung durch die allgemein stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse in den USA abgefedert. Die Gefahren, die zu früheren Rezessionen geführt haben, sind in der heutigen Wirtschaftsstruktur nicht mehr gegeben. So ist beispielsweise die private Verschuldung weder bei den Unternehmen noch bei den Privathaushalten besorgniserregend hoch.
Wie ist es zu dieser Zinsentwicklung gekommen?
Die Währungshüter sind bestrebt, vorausschauend zu handeln und die Politik so zu gestalten, dass sie dem künftigen Umfeld am besten gerecht wird. In ihren Prognosen wird jedoch unweigerlich ein unverhältnismäßig großes Gewicht auf den Ausgangspunkt gelegt, sodass sie eher die Vergangenheit widerspiegeln. Dies scheint derzeit umso mehr der Fall zu sein: Die Fed prognostiziert, dass die Zinssätze auf dem aktuellen Niveau bleiben werden, während der Ausschuss bei künftigen Schritten „vorsichtig vorgehen“ will. Im Hinblick auf diese Prognose lohnt sich folgende Frage: Wie kam es dazu, dass die Zinssätze auf das aktuelle Niveau von 5,25 % bis 5,5 % gestiegen sind? Natürlich waren die hohen Zinssätze eine Reaktion auf die akute Inflation von 2021 bis 2022, aber warum stehen wir nun ausgerechnet bei diesem Zinsniveau?
Auf der Juni-Sitzung des Offenmarktausschusses im Jahr 2022, als die Inflation bereits weit fortgeschritten war und die Fed ihre Zinserhöhungen auf 75 Basispunkte pro Sitzung gesteigert hatte, erklärte der Vorsitzende Powell, dass ein Leitzins zwischen 3,5 % und 4,0 % ausreichend restriktiv sei. Der aktuelle Leitzins ist jedoch um mehr als 1 % höher als die von Powell prognostizierten Werte. Die Differenz könnte auf aktualisierte Schätzungen der neutralen Zinssätze zurückzuführen sein. Allerdings hat der Notenbankchef Powell die Schätzungen des neutralen Zinssatzes als nützliche Richtschnur für die Politik in Frage gestellt, und der Median der längerfristigen Zinsprognose liegt immer noch unter 3 %. Eine wahrscheinlichere Erklärung ist, dass die Inflationswelle mehrere Monate länger anhielt als erwartet, was die Fed dazu veranlasste, in ihren Sitzungen noch einige weitere Zinserhöhungen vorzunehmen als erwartet.
Eine ähnliche Dynamik scheint sich im vergangenen Sommer abgespielt zu haben. Auf der diesjährigen März-Sitzung des Offenmarktausschusses prognostizierte die Fed, dass die Zinssätze Ende 2025 bei 3 % liegen würden. Dieser Wert wurde anschließend nach oben korrigiert und liegt in der gegenwärtigen Prognose bei 3,5 % bis 3,75 %. Wie bereits zuvor liegt der Grund für die Aufwärtskorrektur wahrscheinlich eher in der Entwicklung der jüngsten Wirtschaftsdaten – in diesem Fall dem Wachstumsschub im dritten Quartal – als in geänderten Schätzungen hinsichtlich der geeigneten Politik für die nächsten zwei Jahre.
Die Auswirkungen sind signifikant. Die Inflation ist zurückgegangen. Die wenigen zusätzlichen Monate erhöhter Inflation waren kein Symptom für tiefer liegende inflationäre Kräfte, sondern vielmehr eine Frage des Timings. Auch beim Wachstum hat sich das Tempo des letzten Sommers nicht gehalten. Der Wachstumsrausch, der noch vor wenigen Monaten herrschte, scheint nun völlig unangebracht oder zumindest übertrieben. Somit sind zwei der Gründe, die dazu geführt haben, dass die Zinssätze so hoch sind, möglicherweise nicht mehr relevant. Das wirft Zweifel an der Prognose auf, dass die Zinssätze für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau bleiben werden.
Warum müssen die Zinssätze höher sein?
Wenn die Fed die Situation aus einer neuen Perspektive beurteilen würde, käme sie vielleicht zu einer etwas anderen Prognose. In den kommenden zwei Jahren ist es unserer Meinung nach am wahrscheinlichsten, dass sich die Inflation dem 2%-Ziel der Fed annähert und das Wirtschaftswachstum ungefähr im Trend liegt. Tatsächlich legen die eigenen Prognosen der US-Notenbank genau das nahe: In der heute veröffentlichten Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen wird für 2025 eine Kerninflation von 2,2 % und ein BIP-Wachstum von 1,8 % prognostiziert. Angesichts dieses wirtschaftlichen Umfelds verwundert es, dass die Fed gleichzeitig für Ende 2025 einen angemessenen Leitzins von fast 4 % prognostiziert. Noch vor ein paar Quartalen erklärte der Vorsitzende Powell, dass dieses Zinsniveau als restriktiv eingestuft würde. Bei einer Inflationsrate nahe dem Zielwert und einem Wachstum im Trendbereich sollte die Politik üblicherweise nicht restriktiv, sondern eher neutral sein.
Nun mag der Einwand kommen, dass die prognostizierte Inflationsrate von 2,3 % nicht ganz 2 % beträgt und daher eine restriktive Politik immer noch gerechtfertigt sei. Wir halten diese Betrachtungsweise für falsch, denn sie lässt eine der wichtigsten Lehren aus der Zeit vor der Corona-Pandemie außer Acht. Vor der Corona-Pandemie versetzte bereits eine Inflationsrate, die nur wenige Zehntelprozentpunkte vom Zielwert entfernt war, die Fed (und andere Zentralbanken) in Alarmbereitschaft. Dieses Verständnis einer Fehlentwicklung führte zu einer Reihe von politischen Entscheidungen, die sich im Nachhinein als eindeutig übertrieben herausstellten. Es wäre klüger gewesen, kleine Abweichungen vom Inflationsziel zu tolerieren und die zur Verfügung stehenden politischen Instrumente einzusetzen, um auf Schocks zu reagieren, die unweigerlich auftreten. Dies erinnert an das opportunistische Disinflationsumfeld, das der US-Notenbankchef Greenspan in den 1990er Jahren pflegte.
Die US-Wirtschaft scheint nun auf eine Phase zuzusteuern, in der die Inflation dicht am Ziel der Fed liegt und das Wachstum annähernd dem Trendwachstum entspricht. Die Fed wäre gut beraten, sich mit der Frage zu befassen, ob die Zinsen in einem solchen Umfeld weiterhin so hoch bleiben müssen. Die Antwort ist unserer Meinung nach, dass dies nicht der Fall ist.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für künftige Ergebnisse dar. Es sei darauf hingewiesen, dass eine direkte Investition in einen Index nicht möglich ist. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Renditen nicht gemanagter Indizes nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasurys) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit gesichert werden. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen werden Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung gesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste, die auf einen Rückgang des Marktwerts dieser Wertpapiere zurückzuführen sind.
