AUTOREN

Jeffrey Schulze, CFA
Head of Economic and Market Strategy
Die wichtigsten Punkte
- Der Ausgang der Präsidentschafts- und Kongresswahlen wird die Regierungspolitik in vier Schlüsselbereichen für die Wirtschaft und die Aktienmärkte bestimmen: Steuern, Regulierung, Handel und Staatausgaben.
- Ein Wahlsieg von Trump, bei dem er wahrscheinlich mit einem „Sweep“ neben dem Weißen Haus die Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat erringen würde, wäre unseres Erachtens ganz klar positiv für Aktien, da Unternehmen weiterhin steuerlich begünstigt und Steuervorschriften, die ausgelaufen sind, wieder aufgenommen würden. Ein Wahlsieg von Harris würde wahrscheinlich zu einem gespaltenen Kongress führen und sich leicht negativ auswirken, da aufgrund der politischen Pattsituation weniger Vorschriften von auslaufenden Steuergesetzen verlängert würden.
- Viele Anleger reagieren auf jede noch so kleine Äußerung der Präsidentschaftskandidaten, was bis zum Wahltag zu erhöhter Volatilität führen dürfte. Dabei ist die Entwicklung der Wirtschaft langfristig der wichtigste Treiber für die Aktienmärkte. Angesichts der Zinssenkungen der US-Notenbank (Federal Reserve) dürfte die Wirtschaft ab jetzt an Fahrt aufnehmen.
Rote oder blaue Welle würde die meisten politischen Veränderungen bringen
Einen Monat vor der Wahl bleibt das Kopf-an-Kopf-Rennen spannend. In nationalen Umfragen liegt Vizepräsidentin Kamala Harris zwei Prozentpunkte vor dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump. In den letzten Tagen des Wahlkampfs kann sich noch viel ändern, aber den Prognosen zufolge sind zwei Ergebnisse am wahrscheinlichsten: entweder ein umfassender Sieg der Republikaner (Weißes Haus, Senat und Kongress) oder ein Sieg von Harris bei der Präsidentschaftswahl mit einer gespaltenen Regierung. Denn im Rennen um den Senat haben die Republikaner die Nase vorn. Wenn Harris die Präsidentschaftswahl gewinnt, müssten die US-Demokraten in allen noch unentschlossenen Bundesstaaten gewinnen, außer Texas und Florida. Das wird vor allem schwierig, vor allem in Montana, wo Trump 2020 mit 16 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen hat.
Wer ins Weiße Haus einzieht und wie die Machtverhältnisse im Kongress sind, wird darüber entscheiden, inwieweit Gesetze verabschiedet werden können. Letztlich wird davon abhängen, wie stark sich die Politik auf die Aktienmärkte und die Wirtschaft auswirken wird. Ein Sweep-Szenario kann zu drastischen Änderungen in der Steuer- und Ausgabenpolitik führen. So ebnete der umfassende Sieg der Republikaner 2016 den Weg für Trumps Tax Cuts and Jobs Act (TCJA). Ganz ähnlich wurden auch nachdem die US-Demokraten 2020 neben der Präsidentschaftswahl die Mehrheit im Senat und im Kongress gewonnen hatten zahlreiche Gesetze auf den Weg gebracht. Bei einer gespaltenen Regierung werden die Regulierung und die Handelspolitik ins Spiel kommen. Denn in diesen Bereichen kann der Präsident allein entscheiden.
Viele Anleger reagieren vielleicht auf jede noch so kleine Äußerung oder Wahlkampfversprechen der beiden Kandidaten, was zu erhöhter Volatilität führt. Dennoch ist die Entwicklung der Wirtschaft langfristig der wichtigste Treiber für die Märkte. Die Wahlergebnisse werden sich unserer Meinung nach allerdings in vier Schlüsselbereichen am stärksten auswirken: Steuern, Regulierung, Handels- und Haushaltspolitik.
Abbildung 1: Wahrscheinliche politische Ergebnisse günstig für Aktien

*Erläuterung: 1945 bis heute, ohne 2. Hj. 2001, da sich die Kontrolle im Senat zur Jahresmitte verändert hatte. Quelle: Macrobond.
Steuern
Der bzw. die neue Präsident(in) wird es zu Beginn seiner Amtszeit mit einer einmaligen Steuersituation zu tun haben, weil wichtige Elemente des US-Steuerreformgesetz TCJA, mit dem Trump die Steuern gesenkt hatte, nur bis Ende 2025 gelten. Wenn nichts geschieht, wird sich der durchschnittliche Steuersatz für fast jeden Steuerzahler erhöhen. Das dürfte für beide Lager ein Anreiz sein, über einige der auslaufenden Bestimmungen zu verhandeln und diese zu verlängern. Der TCJA hatte Ende 2017 und Anfang 2018 erhebliche Auswirkungen auf Aktien. Die zukunftsgerichteten Gewinne für Large und Small Caps stiegen in diesem Zeitraum um 10 % bzw. 12 %. Daher ist es wichtig, dass dieses Gesetz weitgehend bestehen bleibt.
Harris hat vor Kurzem Pläne für eine dramatische Erhöhung der Steuern für Unternehmen und Haushalte mit hohem Einkommen präsentiert, während sich an der Besteuerung für die meisten Amerikaner nichts ändern soll. Dabei hat sie versprochen, Haushalte mit einem Einkommen von unter 400.000 USD von Steuererhöhungen zu verschonen. Es ist unwahrscheinlich, das sie ihre Steuerpläne realisieren kann, außer die Demokraten behalten die Kontrolle im Senat und übernehmen sie im Repräsentantenhaus.
Trump würde dagegen wahrscheinlich gerne den TCJA verlängern und einzelne, bereits abgelaufene Vorschriften wieder einführen, einschließlich Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen wie dem Sofortabzug für Ausrüstung, Immobilien sowie Forschung und Entwicklung. Außerdem will er den Körperschaftssteuersatz von derzeit 21 % weiter senken.
Ein Sieg der Republikaner auf allen Ebenen wäre aus steuerlicher Sicht für die Märkte am besten, da einige abgelaufene Elemente wieder aufgenommen werden, einschließlich einzelner Bestimmungen und vollständiger Abzug von Forschung und Entwicklung. Davon würden Marktbereiche mit hohen Investitionsausgaben wie Technologie, Industrie und verarbeitendes Gewerbe profitieren.
Regulierung
Bei der Regulierung richtet Harris ihren Fokus auf verschreibungspflichtige Medikamente, bezahlbareren Wohnraum, höheren Mindestlohn, geringere Lebensmittelkosten und Förderung sauberer Energie. Ferner will sie die Medicare-Verhandlungen über mehr Medikamente ankurbeln und den Pharmacy Benefit Manager zu Leibe rücken. Dadurch würde das potenzielle Risiko im Gesundheitswesen steigen.
Trump hat die Regulierung in seiner ersten Amtszeit deutlich verringert. Der ehemalige Präsident wird sich bei seinen Deregulierungsbemühungen wahrscheinlich hauptsächlich auf die Sektoren Beschäftigung, Bildung, Umwelt und Gesundheit konzentrieren, während er beim Übergang zu Elektroautos auf die Bremse treten dürfte. Bei der Energieerzeugung und insbesondere beim Fracking dürfte er aufs Gas drücken. Ein potenzieller Negativfaktor ist zumindest aus Arbeitsmarktsicht eine strengere Einwanderungspolitik, die Unternehmen mit hohem Arbeitskräftebedarf treffen könnte.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass die erwarteten Wahlergebnisse aufgrund der Regulierung normalerweise ganz anders sind als das, was letztlich real geschieht. Die Konsensmeinung ging davon aus, dass der Energiesektor sich unter der Trump-Administration glänzend entwickeln würde. In Wirklichkeit war er in seiner vierjährigen Amtszeit eines der Schlusslichter. Unter dem früheren Präsidenten Obama waren die Erwartungen für den Gesundheitssektor düster. In Wirklichkeit entwickelte er sich aber vergleichsweise gut. Es ist also wichtig, nicht zu viel in eine stärkere Regulierung und deren Auswirkungen für einzelne Sektoren hineinzuinterpretieren.
Handel
Harris wird die Handelspolitik von Biden voraussichtlich fortführen. Es könnte kleinere Veränderungen geben, während Trump ganz andere Wege gehen will. Harris würde die harte China-Politik wahrscheinlich fortsetzen, um Branchen wie Solar und Halbleiter zu schützen.
Sollte Trump das Rennen machen, erwarten wir eine Neuauflage seiner ersten Amtszeit. Er plant zusätzliche Zölle von 10 % auf alle Importe und 60 % auf Einfuhren aus China. Einer Analyse der Tax Foundation zufolge würden Zölle in Höhe von 10 % und entsprechende Gegenmaßnahmen von US-Handelspartnern voraussichtlich bewirken, dass die Wirtschaft um 1 % schrumpft. Aus Handelssicht würde das Klima für Aktien unter Trump rauer, während es sich unter Harris nicht verändern würde.
Staatsausgaben
Die größte Einigkeit beider Parteien besteht darüber, dass die staatlichen Ausgaben weiter steigen werden. Keiner der beiden Kandidaten will die Ausgaben senken. Das Defizit wird den Prognosen zufolge in absehbarer Zukunft zwischen 6 und 7 % des Bruttoinlandsprodukts betragen, in einem Sweep-Szenario vielleicht auch höher, da mehr Gesetze verabschiedet werden. Harris würde vor allem Geld für Gesundheitswesen, Wohnungen, Kinderbetreuung, saubere Energie und Infrastruktur ausgeben.
Trump würde sich bei den Ausgaben voraussichtlich weiter auf Verteidigung und Infrastruktur konzentrieren. Sollten die Republikaner das Ruder übernehmen, werden Steuersenkungen im Mittelpunkt stehen, bei den Demokraten höhere Ausgaben. In beiden Fällen dürfte es die Wirtschaft ankurbeln.
Auswirkungen eines Wahlsiegs von Trump
Wenn Trump erneut US-Präsident wird und die Mehrheit im Senat und im Kongress hat, würde sich das unserer Meinung nach positiv auf Aktien auswirken. Die Steuervorschriften für Unternehmen dürften günstiger und die Regulierung gelockert werden. Beides dürfte die Unternehmensgewinne sprudeln lassen. Im Gegenzug drohen höhere Zölle und Gegenmaßnahmen von US-Handelspartnern. Eine Pattsituation mit einer Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus würde sich leicht negativ auswirken, da aufgrund des Patts weniger Bestimmungen der auslaufenden Steuergesetze verlängert würden.
Für US-Aktien wäre Trump das Beste. Banken und Kapitalmärkte sowie der Öl- und Gassektor hätten Vorteile von der Deregulierung. Auch Luft-/Raumfahrt und Verteidigung würden profitieren, genau wie die biopharmazeutische Industrie. Gastronomie und Freizeit könnten dagegen wegen der geringeren Verfügbarkeit von Arbeitskräften unter Druck geraten, genau wie EV, Automobilindustrie und Erzeuger sauberer Energie. Mit Blick auf einzelne Regionen würden China Zölle treffen, andere Importnationen wie Vietnam, Mexiko, Indien und Italien würden dagegen profitieren.
Auswirkungen eines Wahlsiegs von Harris
Ein Wahlsieg von Harris wäre leicht negativ für Aktien, wenn sie mit einem gespaltenen Kongress regieren müsste. Deutlich schwieriger würde es für die Märkte, wenn die Demokraten in einem Sweep das Rennen auf allen Ebenen machen wurden. Denn dann könnte Harris Steuererhöhungen für Unternehmen und Superreiche durchsetzen und die Regulierung verschärfen. Steuervorteile für Privatpersonen mit niedrigem Einkommen wären allerdings ein gewisser Ausgleich und würde diesem Segment der Wirtschaft einen positiven Impuls geben.
Eine strengere Regulierung würde den Biopharma-Sektor, Banken, Kapitalmärkte, Energie und Technologieriesen belasten. Wir waren aber nochmals davor, Anlagen oder die Portfoliopositionierung allein vom regulatorischen Umfeld abhängig zu machen. Unter Harris dürften Nicht-Basiskonsumgüter, insbesondere Gastronomie und Freizeit, Wohnungsbau und Bauprodukte optimistisch einzuschätzen sein.
Abbildung 2: Klare Trennung von Politik und Investmentwelt

Stand der Daten: 30. Juni 2024. Quellen: FactSet, S&P.
Es ist leicht, die Bewerber in die Schublade gut oder schlecht für Aktien und Wirtschaft zu stecken. Die Märkte sind aber unabhängig davon, welche Partei regierte, gestiegen. Die wirtschaftliche Dynamik dürfte für Aktien der wichtigere Treiber sein. Bis zum Wahltag erwarten wir jedenfalls eine erhöhte Volatilität. In der Vergangenheit steigt der VIX im September und Oktober dramatisch, wenn die Unsicherheit über die Wahl überkocht. Unabhängig davon, wer gewinnt, kommt es in den Märkten allgemein zu einer Rally der Erleichterung. Dieses Phänomen und die Positivwirkung des Zinssenkungszyklus der Fed dürften die wirtschaftliche Dynamik 2025 wieder beleben. Und das wird die Aktienkurse letztendlich nach oben treiben.
Definitionen
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist eine Wirtschaftsstatistik, die den Marktwert aller in einem Land binnen eines bestimmten Zeitraums erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen misst.
Der Tax Cuts and Jobs Act (TCJA) war eine umfassende Steuerreform, die am 1. Januar 2018 vom damaligen Präsidenten Donald Trump unterzeichnet wurde. Das Gesetz enthielt einige der größten Veränderungen der Steuergesetzgebung in dreißig Jahren. Die Reform wirkte sich auf Steuerzahler und Unternehmen gleichermaßen aus, insbesondere durch Steuersenkungen. Viele Vorteile der Steuerreform für Privatpersonen enden 2025.
VIX ist das Ticker-Symbol und der gängige Name des CBOE Volatility Index der Chicago Board Options Exchange, ein beliebter Indikator für die Volatilitätserwartungen am Aktienmarkt, der auf S&P 500 Indexoptionen basiert.
Der S&P 500 Index ist ein nicht gemanagter repräsentativer Index aus 500 Aktien, der generell die Performance von Großunternehmen in den USA widerspiegelt.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
Alle Anlagen sind mit Risiken verbunden, einschließlich des möglichen Verlusts des Anlagekapitals. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftigen Renditen. Indizes werden nicht aktiv gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Renditen nichtverwalteter Indizes nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden.
Mit Small Caps und Mid Caps können größere Risiken und mehr Volatilität verbunden sein als mit Large Caps.
Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer.
Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen zählen, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasuries) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben werden und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit abgesichert sind. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen sind Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung abgesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste, die auf einen Rückgang des Marktwerts dieser Wertpapiere zurückzuführen sind.
Investments in China, Hongkong und Taiwan unterliegen speziellen Risiken, dazu gehören eine geringere Liquidität, Enteignungen, eine konfiskatorische Besteuerung, Spannungen im internationalen Handel, Verstaatlichung sowie Devisenkontrollbestimmungen und eine hohe Inflation. All dies kann negative Auswirkungen auf den Fonds haben. Investments in Taiwan könnten wegen der politischen und wirtschaftlichen Beziehung zu China negativen Einflüssen unterliegen.
