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Die wichtigsten Erkenntnisse

  • Im ersten Jahr der Präsidentschaft Lulas haben sich die brasilianischen Aktien im Vergleich zu anderen Schwellenländern gut entwickelt.
  • Die Befürchtungen der Märkte über ideologisch motivierte Ausgabenwut haben sich nicht bewahrheitet.
  • Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten – einschließlich der Arbeitslosenquote und des Verbrauchervertrauens – zeichnen ein solides Bild.
  • Wir sind der Ansicht, dass brasilianische Aktien sowohl im Vergleich zu Schwellenländern als auch zu Industrieländern unterbewertet sind, insbesondere angesichts der derzeit hohen Ölpreise.
  • Die historische Beziehung zwischen Öl und den brasilianischen Aktienbewertungen deutet auf eine erhebliche Neubewertungsmöglichkeit hin.

Vor einem Jahr, kurz nach der Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva ("Lula") zum neuen brasilianischen Präsidenten, argumentierten wir, dass es Grund für Optimismus bei brasilianischen Aktien gab, während die Märkte die Aussichten auf eine eher linke Politik mit einer gesunden Portion Skepsis betrachteten. "Lula ist in Brasilien eine bekannte Größe", und er erbte "eine solide Wirtschaft mit einem beträchtlichen langfristigen Potenzial", waren einige der Schlussfolgerungen, die wir damals in diesem Artikel festhielten: Lula returns to helm of world’s 12th largest economy: "Brazil is back".

Im bisherigen Jahresverlauf übertrafen sowohl der FTSE Brazil 30/18 Capped Net Index als auch der FTSE Brazil Index die breiten Schwellenländermärkte um etwa 11 Prozentpunkte (9,4 % bzw. 10,3 %), gegenüber 1,7 % Ende Oktober (Abbildung 1). Dies geschah inmitten einer erwartungsgemäß erheblichen Volatilität, die dazu führte, dass die brasilianischen Aktien Mitte März um 10 % abrutschten und Ende Juli wieder um fast ein Viertel anstiegen.1

Abbildung 1: Brasilien hat sich besser als die Schwellenländer entwickelt

Bisheriger Jahresverlauf, bis 23. Oktober 2023

Quellen: Bloomberg, FTSE. 23. Oktober 2023. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung. Indizes werden nicht aktiv gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Wichtige Hinweise und Geschäftsbedingungen des Datenanbieters finden Sie unter www.franklintempletondatasources.com. Der FTSE Brazil Index ist ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Streubesitzindex, der die Performance des brasilianischen Aktienmarktes misst. Der FTSE Brazil 30/18 Capped Index bildet die Wertentwicklung brasilianischer Aktien mit großer und mittlerer Marktkapitalisierung ab. Der FTSE Emerging Index ist ein internationaler Aktienindex, der Aktien aus Schwellenländern weltweit abbildet.

Die brasilianische Zentralbank hat begonnen, die Zinssätze zu senken – früher als viele Schwellenländer und praktisch alle Industrieländer – und hat den Leitzins von 13,75 % auf 12,75 % gesenkt (Abbildung 2).2 Die Konsensprognosen für das Ende dieses Jahres gehen von einer weiteren Senkung um 100 Basispunkte aus.3 Wir gehen davon aus, dass die Banco Central do Brasil (BCB) im Jahr 2024 über reichlich Spielraum verfügt, wenn die Inflation ihren Abwärtstrend beibehält und die Auswirkungen bestimmter klimatischer Ereignisse, wie El Niño, eingedämmt werden können. Brasilien hat einige der frühesten und aggressivsten Zinserhöhungen weltweit eingeleitet, ein Ansatz, der sich nun auszuzahlen beginnt. Die am Verbraucherpreisindex (VPI) gemessene Inflation liegt zwar weiterhin über dem Zielwert, aber die Erwartungen für 2023 und 2024 liegen derzeit bei 5,1 % bzw. 4,0 %. Das ist weit entfernt von den fast zweistelligen Zahlen, die im Laufe des Jahres 2022 zu verzeichnen waren.4 Das Wachstum der Erzeugerpreise, das häufig als Vorläufer des VPI angesehen wird, ist nach seinem Höchststand von rund 35 % im Jahresvergleich negativ geworden.5

Abbildung 2: Globale Leitzinsen: Brasilien First In, First Out

19. Oktober 2018 bis 18. Oktober 2023

Quellen: Bloomberg, 2020.

Gleichzeitig hat die Arbeitslosenquote des Landes einen Neunjahrestiefstand erreicht,6 und das Verbrauchervertrauen hat das Niveau vor der Pandemie übertroffen und ist auf dem höchsten Stand seit 2014.7

In Anbetracht all dessen halten wir brasilianische Aktien für deutlich unterbewertet, mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) für die letzten 12 Monate (LTM-KGV) im mittleren bis hohen einstelligen Bereich, was einen erheblichen Abschlag sowohl gegenüber den Schwellenländern als auch den Industrieländern darstellt. Wir heben oft die Vorteile einer Aufteilung der Engagements in den Schwellenländern hervor, zum Beispiel durch kosteneffiziente, börsengehandelte Fonds (ETFs) für einzelne Länder. Zunehmend sind unterschiedliche Bewertungen und Risikoerwägungen einige der Triebfedern für diesen sich gerade entwickelnden Anlegeransatz. ETFs auf einzelne Länder sind effiziente, kostengünstige Instrumente, mit denen Anleger mithilfe einer einzigen Transaktion ein taktisches oder langfristiges Engagement in Dutzenden von lokalen Beteiligungen in einem bestimmten Land eingehen können.

Zum geopolitischen Risiko

In den brasilianischen Bewertungen ist wahrscheinlich ein gewisses innenpolitisches Risiko (vor allem im Zusammenhang mit der Verschuldung) eingepreist, aber bisher hat sich Lula an den pragmatischen Ansatz gehalten, den wir von ihm erwartet haben, und die Befürchtungen der Märkte über ideologisch motivierte Ausgabenwut haben sich nicht bewahrheitet. Darüber hinaus bedeutet das hohe China-Engagement der breiten EM-Indizes wahrscheinlich auch, dass diese Indizes bereits eine gewisse geopolitische Risikokomponente enthalten. Dennoch liegen ihre LTM-Kurs-Gewinn-Verhältnisse derzeit bei fast 14, während das brasilianische KGV eher bei 6,5 liegt, was einen "Brasilien-Abschlag" von etwa 53 % bedeutet.8 Dies erscheint übertrieben, vor allem, da der Ölpreis – eine wichtige Triebkraft der brasilianischen Wirtschaft – angesichts der geopolitischen Probleme und der zunehmenden Hoffnungen auf eine "weiche Landung" wieder hochschnellt. Die breiten EM-Indizes werden in der Regel von China und Indien dominiert, die beide zu den Nettoimporteuren von Öl gehören. Brasilien hingegen ist nicht nur ein Nettoexporteur, sondern auch der achtgrößte Produzent weltweit und der größte in Südamerika. Die Internationale Energieagentur sagt voraus, dass das Land bis 2040 etwa die Hälfte der weltweiten Offshore-Ölproduktion abdecken wird. Der Öl- und Gasmarkt macht seit vielen Jahren den größten Teil der Investitionstätigkeit in der brasilianischen Wirtschaft aus und trägt rund 10 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes bei.9 Der Energiesektor - wenn auch auf einige wenige Unternehmen konzentriert und von Petrobras dominiert – macht etwa ein Fünftel des FTSE Brazil Index aus.10 Mit anderen Worten: Während der private Binnenkonsum mit einem Anteil von etwa 60 % am BIP weiterhin das Rückgrat der Wirtschaft bildet, hat Öl das Potenzial, den Aktienmarkt des Landes entweder erheblich zu bremsen oder anzukurbeln.11 Wir sehen Öl derzeit im Turbomodus, aber die Aktienbewertungen bewegen sich mit angezogener Handbremse.

Unsere Analyse deutet darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie die Beziehung zwischen den beiden Märkten unterbrochen hat, aber in Ermangelung struktureller Gründe glauben wir, dass diese Entkopplung vorübergehend sein könnte.

Für die folgenden Berechnungen haben wir den Sechsmonatsdurchschnitt der Brent-Öl-Futures verwendet, der um sechs Monate nach vorne verschoben wurde. Beispielsweise entspricht der Dezember-Datensatz für Öl dem Durchschnittspreis von Januar bis Juni desselben Jahres. Dies entspricht der Logik, dass sich bis Dezember ein Teil der Ölpreiseffekte aus der ersten Jahreshälfte in den Erträgen der letzten 12 Monate widerspiegeln würde, die die Grundlage für die Berechnung der Auf- und Abschläge bilden. Abbildung 3 zeigt die Korrelation zwischen beiden Datensätzen in der Zeit vor der Pandemie und den merkwürdigen Zusammenbruch der Beziehung zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2021. Dies deckt sich mit den ersten Berichten über eine Kandidatur Lulas. Erinnern wir uns daran, dass er Gerüchten zufolge Pläne zur Verstaatlichung von Petrobras hatte, die er jedoch dementierte und für die er in der Tat keine Anstrengungen unternommen hat. Politisch und rechtlich würde ein solches Projekt auf massive Hürden stoßen, um es vorsichtig auszudrücken, und scheint angesichts der derzeitigen Zusammensetzung des Congresso Nacional do Brasil schlichtweg undurchführbar. Es erscheint daher zumindest unwahrscheinlich, dass Befürchtungen hinsichtlich des Eigentumsmodells im Energiesektor die Bewertungen wesentlich beeinflussen.

Abbildung 3: Beziehung zwischen Öl und brasilianischen Aktienbewertungen

31. Oktober 2017 bis 30. April 2024

Quellen: Bloomberg, Franklin Templeton. Der "Ölpreis" wird als Sechsmonatsdurchschnitt berechnet, der um sechs Monate nach vorne verschoben wird. Beispielsweise spiegelt der Dezember-Datenpunkt den durchschnittlichen Ölpreis-Future zwischen Januar und Juni desselben Jahres wider. Der entsprechende KGV-Aufschlag wird wie folgt berechnet: (LTM-KGV für MSCI Brazil) / (LTM-KGV für MSCI EM) - 1.

Von September 2009 bis August 2021,12 wurden brasilianische Aktien mit einem durchschnittlichen Aufschlag von 11 % gegenüber den breiten Schwellenmärkten gehandelt (Abbildung 4). Bei Ölpreisen unter 90 US-Dollar war der Aufschlag etwas geringer, nämlich zwischen 6 % und 9 %, wobei keine Korrelation festzustellen war. Oberhalb von 90 US-Dollar stieg der KGV-Aufschlag jedoch mit dem Anstieg des Ölpreises: Bei Preisen zwischen 90,00 und 109,99 US-Dollar betrug der Aufschlag durchschnittlich 14 % und bei Preisen über 110 US-Dollar überschritt er die 20 %-Marke.13

Abbildung 4: Durchschnittlicher brasilianischer KGV-Aufschlag nach Ölpreiskategorien

September 2009 bis August 2021

Quellen: Bloomberg, Franklin Templeton. Der "Ölpreis" wird als Sechsmonatsdurchschnitt berechnet, der um sechs Monate nach vorne verschoben wird. Beispielsweise spiegelt der Dezember-Datenpunkt den durchschnittlichen Ölpreis-Future zwischen Januar und Juni desselben Jahres wider. Der entsprechende KGV-Aufschlag wird wie folgt berechnet: (LTM-KGV für MSCI Brazil) / (LTM-KGV für MSCI EM) - 1.

In dem von uns untersuchten Zeitraum lag der Ölpreis vor der COVID-19-Pandemie bei durchschnittlich 76 US-Dollar, was dem besagten Aufschlag von 11 % für Brasilien entspricht (Abbildung 5). Nach COVID 19 lag der Ölpreis im Durchschnitt bei 85 US-Dollar, aber anstatt im Gleichschritt zu steigen, sind brasilianische Aktien im Durchschnitt etwa 53 % billiger als vergleichbare Titel in Schwellenländern.14

Abbildung 5: Vorher und nachher: Was hat sich geändert?

Stand 31. August 2021 und 16. Oktober 2023

Quellen: Bloomberg, Franklin Templeton, 2023. Der entsprechende KGV-Aufschlag/Abschlag wird wie folgt berechnet: (LTM-KGV für MSCI Brazil) / (LTM-KGV für MSCI EM) - 1.

In einer perfekten Welt ergäbe sich daraus eine enorme Preisanpassungsmöglichkeit. Natürlich ist nie alles perfekt. Dies gilt insbesondere für die Phase nach COVID 19, den andauernden Krieg in der Ukraine, die Spannungen zwischen den USA und China und den jüngsten Ausbruch eines Krieges im Nahen Osten, der eine regionale oder globale Eskalation befürchten lässt.

Angesichts eines starken Arbeitsmarktes, eines robusten Verbrauchervertrauens und der Aussicht auf weitere Zinssenkungen aufgrund der sinkenden Inflation betrachten wir Brasilien jedoch als einen Lichtblick an den globalen Aktienmärkten. Anleger, die unsere Analyse der langfristigen Aussichten der größten lateinamerikanischen Volkswirtschaft teilen, könnten jetzt zu attraktiven Kursen in den Markt einsteigen – vielleicht mit dem zusätzlichen Potenzial, eine Neubewertung der Kurse auf ein Niveau vor COVID 19 im Verhältnis zum Ölpreis zu erleben.

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