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Bei meiner Einschätzung zur Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank von dieser Woche bin ich hin- und hergerissen. Negativ beurteile ich die Entscheidung der US-Notenbank (Fed), eine deutliche Zinssenkung um 50 Basispunkte (Bp.) anstatt einer moderateren Senkung um 25 Bp. vorzunehmen. Den meisten zugrunde liegenden Einschätzungen zur wirtschaftlichen Lage, die US-Notenbankchef Jerome Powell präsentiert hat, stimme ich dagegen zu. Letztere werden meines Erachtens für die zukünftige Entwicklung der Zinssätze und der Marktbewegungen von zentraler Bedeutung sein.

Vor der Sitzung brachten diejenigen, die sich für eine Zinssenkung um 50 Bp. ausgesprochen hatten, zwei Argumente vor: Erstens erklärten sie, der US-Leitzins (Policy Rate) liege mit einer Spanne von 5,25–5,50 % klar über dem Gleichgewichtsniveau. Und zweitens sorgten die Anzeichen einer Abkühlung der Wirtschaft – insbesondere die steigende Arbeitslosenquote – ihrer Ansicht nach dafür, dass die US-Notenbank entschlossene Schritte unternehmen müsse, um eine Rezession abzuwenden. Beide Argumente waren nach meinem Dafürhalten mit Fehlern behaftet, daher hätte ich eine vorsichtigere Zinssenkung um 25 Bp. vorgezogen.

Da die Entscheidung getroffen wurde, die Zinssätze um 50 Bp. zu senken, ging es Jerome Powell in der Pressekonferenz vor allem darum, der Vorstellung entgegenzuwirken, die Fed mache sich ernsthaft Sorgen über eine mögliche Rezession. Er wiederholte immer wieder, dass die US-Wirtschaft stark sei und am Arbeitsmarkt nach wie vor Vollbeschäftigung oder sogar mehr als Vollbeschäftigung herrsche. Er erklärte, für die Fed seien die Inflations- und Beschäftigungsrisiken nun ausgewogen, fügte jedoch hinzu, er sehe keine Anzeichen, die aktuell auf ein Rezessionsrisiko hindeuten würden.

Dem kann ich nur zustimmen. Beginnen wir mit dem Arbeitsmarkt. Ja, die Arbeitslosenquote ist von einem Tief von 3,4 % im April des vergangenen Jahres auf 4,2 % im August dieses Jahres gestiegen. Doch 3,4 % war der niedrigste Stand seit etwa 60 Jahren. Zwischen 1990 und 2007 (dem Jahr, in dem die globale Finanzkrise begann) betrug die Arbeitslosenquote im Schnitt 5,4 %. Die natürliche Arbeitslosenquote liegt heute wahrscheinlich irgendwo zwischen 4,5 % und 5,0 %. Der Arbeitsmarkt kommt also gerade wieder langsam ins Gleichgewicht, nachdem die Lage bisher extrem angespannt war. Jerome Powell beantwortete eine Frage mit einer detaillierten und mit Daten gespickten Analyse eines auch nach seiner Auffassung sehr soliden Arbeitsmarktes. Der neuesten Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen (Summary of Economic Projections, SEP) kann man entnehmen, dass die Fed davon ausgeht, dass sich die Arbeitslosenquote in den nächsten drei Jahren auf etwa dem aktuellen Niveau stabilisieren wird.

Abbildung 1: US-Arbeitslosenquote nach wie vor unter dem historischen Durchschnitt

1980–2024

Quelle: St. Louis Fed. Analyse von Franklin Templeton Fixed Income Research.
Stand: 18. September 2024.

Andere aktuelle Konjunkturindikatoren zeichnen ebenfalls ein sehr erfreuliches Bild: Die Einzelhandelsumsätze waren unverändert robust, und die Industrieproduktion konnte sich im August kräftig erholen. Die Atlanta Fed hob daher ihre Schätzung zum Wachstum im dritten Quartal auf ein annualisiertes Niveau von 3 % an. Das ist nicht wirklich eine wirtschaftliche Lage, die nach geldpolitischen Anreizen verlangt. Powells Einschätzung? „Die Wirtschaft ist in einer guten Verfassung, und wir wollen, dass das auch so bleibt.“

Powell hat es zwar nicht angesprochen, aber ich würde hinzufügen, dass eine dauerhaft lockere Fiskalpolitik die Wirtschaft auch in den kommenden Jahren kontinuierlich unterstützen wird – diesen Punkt habe ich schon mehrfach betont. Beide Präsidentschaftskandidaten haben Vorschläge präsentiert, die zu einem deutlichen Anstieg des Haushaltsdefizits führen würden.

Powell räumte auch ein, dass die Inflation noch nicht auf dem Zielwert der Fed liegt, diesem Wert aber deutlich nähergekommen ist. Er erklärte, die Fed sei nun viel zuversichtlicher, dass sich der Preisauftrieb kontinuierlich auf 2 % verlangsamen werde.

Im Vorfeld der Pressekonferenz wusste Powell auch, dass eine Zinssenkung um 50 Basispunkte die Markterwartungen für weitere geldpolitische Lockerungen möglicherweise weiter befeuern könnte. Er goss eimerweise kaltes Wasser auf den Enthusiasmus des Marktes, indem er betonte: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand deswegen [wegen der Zinssenkung um 50 Basispunkte] nun sagen sollte, dies sei das neue Tempo [der geldpolitischen Lockerung].“ Er betonte, die Fed gehe nun von einer allmählichen Normalisierung der Zinssätze aus, und verwies auf den „Dot Plot“. Der Median impliziert weitere zwei Zinssenkungen um 25 Basispunkte in diesem Jahr (dies deckt sich mit meinen Erwartungen, damit läge die Fed Funds Rate Ende des Jahres 2024 bei 4,4 %). Für den Verlauf des Jahres 2025 signalisiert der Dot Plot Zinssenkungen um weitere 100 Basispunkte (auf dann 3,4 %).

Das bringt mich zu dem zweiten entscheidenden Thema: Wie weit sind wir wirklich vom neutralen US-Leitzins entfernt?

Nimmt man eine einfache Messgröße der realen Fed Funds Rate, definiert als die nominale Fed Funds Rate minus die aktuelle Inflationsrate (die inzwischen nicht mehr allzu weit von der erwarteten zukünftigen Inflationsrate entfernt ist), dann sieht man, dass die Geldpolitik im Vergleich zu früher zwar restriktiv ist, aber nicht in außergewöhnlich starkem Maße.

Abbildung 2: Fed Funds Rate liegt aktuell auf Niveau vor der globalen Finanzkrise

1960–2024

Quelle: US Federal Reserve, Bureau of Labor Statistics. Analyse von Franklin Templeton Fixed
Income Research. Stand: 18. September 2024.

Was bei der Grafik tatsächlich auffällt, ist nicht das derzeit hohe Niveau des realen Leitzinses, sondern vielmehr das außergewöhnlich niedrige Niveau in den Jahren nach der globalen Finanzkrise. Ich vertrete schon seit einiger Zeit die Auffassung, dass der Zeitraum zwischen der globalen Finanzkrise und der Corona-Pandemie eine historische Anomalie war und dass der langfristige Durchschnitt der Jahre vor der globalen Finanzkrise ein besserer Referenzwert dafür ist, wo die reale Fed Funds Rate liegen sollte. Dies ergäbe eine reale Fed Funds Rate von etwa 2 %, diese läge damit nicht allzu weit vom derzeitigen Niveau entfernt.

Ein kurzer Blick auf die Finanzbedingungen bestätigt auch, dass die Geldpolitik nicht übermäßig restriktiv ist (und das auch vor der Zinssenkung vom September nicht war): (i) Die Aktienmärkte liegen fast auf einem Allzeithoch, (ii) Kredite sind nach wie vor leicht verfügbar, und (iii) die Spreads bei Risikoanlagen, von Darlehen bis hin zu hochverzinslichen Krediten, sind eng. Nebenbei signalisiert der letzte Punkt für mich auch, dass sich die Finanzmärkte nicht wirklich Sorgen über eine mögliche Rezession machen – die Preisstellung bei Risikoanlagen deckt sich einfach nicht mit der Aussicht auf eine schrumpfende Wirtschaftsaktivität und steigende Insolvenzen.

In der Pressekonferenz warnte Powell erstmals – zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass er das schon einmal getan hat –, er habe das „Gefühl“, dass wir nicht wieder die ultratiefen Zinssätze der Jahre 2008–2022 erreichen werden, da der neutrale Zinssatz nun deutlich höher ist als damals. Wo liegt der neutrale Zinssatz derzeit? Ausgehend von dem langfristigen Durchschnitt der realen Fed Funds Rate von knapp 2 % vor der globalen Finanzkrise, den ich oben angesprochen habe, dürfte sich die Fed Funds Rate meinen Schätzungen zufolge am Ende dieses Lockerungszyklus bei einem neutralen Zinssatz zwischen 3,75 % und 4,0 % einpendeln. Die Fed erwartet (basierend auf dem Median des Dot Plot) aktuell eine Senkung der Fed Funds Rate auf 3,4 % bis Ende des nächsten Jahres bzw. auf rund 3 % bis zum Ende des Lockerungszyklus. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Fed ihre Schätzung zum neutralen Zinssatz im vergangenen Jahr allmählich immer weiter nach oben korrigiert hat – wahrscheinlich, um der Widerstandskraft der Wirtschaft gegenüber den Zinsanhebungen Rechnung zu tragen – und diese Schätzung durchaus noch weiter anheben könnte. Dagegen gehen die Märkte davon aus, dass die Fed Funds Rate schon Ende des nächsten Jahres bis auf 2,75 % gesunken sein wird.

Insgesamt ist es Powell somit gelungen, mit dem Zinsschritt um 50 Basispunkte keine übermäßig lockere Zinssenkung vorzunehmen. Ich kann damit leben. Die Märkte waren jedoch etwas enttäuscht und die zehnjährigen US-Staatsanleihen gerieten unmittelbar nach der Pressekonferenz unter Verkaufsdruck, während sie normalerweise eine Rallye vollziehen, da Powells Pressekonferenzen oft eine eher expansive Geldpolitik signalisierten.

Das bedeutet, dass für die Fed der wirklich schwierige Teil noch kommt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Finanzmärkte auch weiterhin auf stärkere geldpolitische Lockerungen drängen werden als die Fed vornehmen will, insbesondere, da zahlreiche AnlegerInnen immer noch davon ausgehen, dass die Zinssätze wieder auf das extrem niedrige Niveau sinken werden, das nach der globalen Finanzkrise herrschte. Powell hat wirklich alle Hände voll zu tun. Die Fed hat ein gutes Stück ihrer Anti-Inflations-Glaubwürdigkeit zurückgewonnen, doch der „Fed Put“ sitzt den AnlegerInnen noch in den Knochen. Ich gehe davon aus, dass wir noch mehrmals feststellen werden, dass die Märkte als Reaktion auf eine Schwäche bei den Konjunkturdaten eine übermäßige Begeisterung an den Tag legen, wobei es dann auch immer wieder zu Enttäuschungen kommen kann, während wir uns schrittweise und stockend wieder normalen Bedingungen wie vor der globalen Finanzkrise annähern.



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