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Die wichtigsten Inhalte

  • Der zunehmende Energiebedarf der Akteure im Bereich der künstlichen Intelligenz wird unterschätzt. Dieser Sektor wird die ohnehin schon knappen Energieressourcen immer stärker belasten.
  • Irgendwann könnte der rasante Wachstumskurs, dem viele dieser KI-Nutznießer folgen, auf die schwerfälligere und lineare Realität treffen, was zu einer deutlichen Korrektur der Erwartungen führen dürfte.
  • Die Entwicklung hin zu höheren Strompreisen ist einer der stärksten fundamentalen Positivfaktoren für kapitalintensive zyklische Unternehmen, die den Ausbau der künstlichen Intelligenz unterstützen. Dabei werden die letztendlichen Vorteile fast immer unterschätzt, und so kommt es zu einer Unterreaktion, die Value-Investoren nutzen können.

Elektrizität ist das Lebenselixier der KI

Der Markt konzentriert sich auf das Veränderungspotenzial der künstlichen Intelligenz (KI), hat aber unserer Meinung nach noch nicht ganz verstanden, welche realen Engpässe mit dieser Zukunftstechnologie verbunden sind. Während die Märkte das Angebot an innovativen Grafikprozessoren zu vervielfachen scheinen, um die steigende Nachfrage zu decken, zeichnen sich im zunehmenden Wettrüsten bei der KI neue Herausforderungen ab. Dazu zählen die Suche nach Standorten für Rechenzentren, der Anschluss an das Stromnetz und die Beschaffung von Kühlanlagen. Wir denken, dass die Märkte letztendlich eine Lösung für die meisten dieser Hindernisse finden werden. Doch das Lebenselixier der KI-Infrastruktur ist die Elektrizität, weshalb sich der Zugang zum Stromnetz und die Stromerzeugungskapazitäten wahrscheinlich als längerfristige Problemfaktoren erweisen werden.

Durch Innovationen wie das Cloud Computing ist der Strombedarf von Rechenzentren stetig gestiegen, derzeitige Spitzenschätzungen des Strombedarfs für KI-Computing liegen demgegenüber jedoch beim 30-Fachen pro Server. In Anbetracht der Vielzahl von Servern in einem Rack, der Menge an Racks in einem Rechenzentrum und der wachsenden Zahl von Rechenzentren im ganzen Land wird schnell klar, dass der Gesamtanstieg des Strombedarfs nicht nur für das KI-Ökosystem, sondern auch für andere Stromverbraucher ein Problem darstellt. Nach aktuellen Schätzungen werden die USA aufgrund der wachsenden KI-Nachfrage in den nächsten zehn Jahren zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ein Wachstum der Stromnachfrage von mehr als 3 % verzeichnen (siehe Abbildung 1). Die Deckung dieser erhöhten Nachfrage wäre bereits unter normalen Umständen keine leichte Aufgabe. Dass wir gleichzeitig eine globale Energiewende durchlaufen und diese forcieren, wird dies noch schwieriger machen.

Abbildung 1: KI bewirkt einen drastischen Anstieg des Strombedarfs

Stand: 21. März 2024. Quelle: Wells Fargo Securities, LLC.

Die aktuelle Umstellung von reichlich vorhandenen, aber umweltschädlichen fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien in Form von Wind- und Sonnenenergie macht die Sache noch komplizierter. Der Grund dafür ist, dass erneuerbare Energien aufgrund der täglichen und saisonalen Schwankungen der Energieerzeugung kaum in der Lage sein werden, mit den aktuellen Bedarfsschätzungen Schritt zu halten. Überdies ist der Ausbau dieser erneuerbaren Energien mit enormen Investitionen in die Stromübertragungsinfrastruktur verbunden, da die besten Standorte für Wind- und Solarparks oft weit von Gebieten mit hohem Strombedarf entfernt liegen. Im Endeffekt wird es also darum gehen, wie der Anschluss neuer Ressourcen an das Stromnetz, der Ausbau der Übertragungskapazitäten und wohl auch Investitionen in als „kleineres Übel“ wahrgenommene fossile Brennstoffe wie beispielsweise Erdgas beschleunigt werden können, um die mit einer schwankenden Energieeinspeisung verbundenen Risiken für die Netzzuverlässigkeit in den Griff zu bekommen.

Die großen KI-Akteure werden die Strompreise beeinflussen

Die großen Player der KI-Infrastruktur Amazon, Google, Microsoft, Meta und zunehmend auch Oracle warten nicht und werden die bestehenden Systeme an ihre Grenzen bringen. Angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten überrascht es nicht, dass sich die Stromversorgung schnell als größter Engpass für einen umfassenderen Ausbau von KI-Rechenzentren herausstellt. Selbst wenn ein Unternehmen alle Genehmigungen erhalten hat und die erforderlichen Anlagen beschaffen kann, werden die Vorlaufzeiten für den Anschluss an die Stromversorgung immer länger. Viele der großen Player umgehen daher das allgemeine Stromnetz. Sie wenden sich direkt an Stromhändler, um über langfristige Verträge Strom zu beziehen, oft mit einem erheblichen Aufschlag auf die herrschenden Strompreise. Wir vermuten, dass die Häufigkeit solcher Geschäfte zunehmen wird, da Geschwindigkeit für diese Unternehmen alles ist, und weitere Geschäfte, von denen die Stromerzeuger profitieren werden, dürften folgen. Auch wenn neue Energieträger der regenerativen Energiewirtschaft eine wichtige Rolle spielen werden – eine solche direkte Nutzung der etablierten Energiequellen wird die Rechenzentren schneller ans Netz bringen und die Nachfrage nach den vorhandenen Ressourcen erhöhen.

Doch was für die großen KI-Akteure von Vorteil ist, ist es nicht zwangsläufig auch für den Rest der Gesellschaft. So hat Amazon beispielsweise kürzlich mit dem Kernkraftwerksbetreiber Talen Energy einen Vertrag über die Abnahme von mehr als 1 Gigawatt (GW) Strom mit einem Aufschlag von 50 % auf die aktuellen Strompreise abgeschlossen. Diese enorme Strommenge wird allein Amazon dienen; sie wird nicht dazu beitragen, die Netzzuverlässigkeit zu sichern und sie wird nicht helfen, die Strompreise niedrig zu halten.

In einem gut funktionierenden Markt würden neue Einspeisungen diese Stromentnahme von Amazon ausgleichen, aber die Engpässe bei den Netzanschlüssen für neue Stromerzeuger haben sogar dazu geführt, dass die lokalen Netzbetreiber aufgrund des entstandenen Rückstands die Annahme von Anträgen komplett eingestellt haben. Ein Anstieg der Nachfrage bei einem unzureichenden Angebot führt zu höheren Preisen für Verbraucher und Unternehmen, die darüber indirekt die KI-Pläne von Amazon subventionieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Preis auf der Angebotskurve für Strom – wie bei jeder anderen Ware – sich nicht annähernd linear verhält (siehe Abbildung 2). Sind die kostengünstigeren Stromerzeugungsressourcen erschöpft, beginnt der Preis, der für die Bereitstellung einer bestimmten Stromerzeugungsmenge erforderlich ist, in die Höhe zu schnellen (etwa bei 130 GW), da in Zeiten der Spitzennachfrage – in der Regel an sehr heißen oder kalten Tagen – die teureren „Spitzenlast“-Anlagen Strom erzeugen müssen.

Auch wenn Amazons 1-GW-Deal im Vergleich zu den 130 GW nicht viel zu sein scheint, so kann die Entnahme dieser Menge aus dem System aufgrund der Nichtlinearität einen überproportionalen Einfluss auf die Strompreise auf dem gesamten Markt haben. Dies betrifft viele Millionen Menschen, da die Netzbetreiber mit einer Spitzenlast von rund 135 GW im Winter rechnen. Wenn die Nachfrage auf diesem Markt 100 GW beträgt, wirkt sich eine Reduzierung des Angebots um 1 GW nur geringfügig auf die Gesamtstrompreise aus. Bei 135 GW jedoch, wo die Steigung der unten abgebildete Kurve deutlich zunimmt, ist die sehr viel größere Wirkung auf die Strommarktpreise unschwer zu erkennen.

Da sämtliche Konkurrenten von Amazon sicherlich zur Kenntnis genommen haben, dass das Unternehmen mit der Talen-Transaktion die Voraussetzungen für die Beschleunigung seiner KI-Strategie geschaffen hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass andere Unternehmen auf diesem Markt nachziehen und das angespannte Angebot-Nachfrage-Verhältnis weiter verschärfen werden. Im Zuge dieser Entwicklung könnte es in den nächsten Jahren zu einem galoppierenden Anstieg der Strompreise kommen.

Ein letzter Punkt: Wenn entsprechende Strommengen aus dem Netz genommen und nicht mehr zur Deckung der Grundlast zur Verfügung stehen, sind die Versorgungsunternehmen gezwungen, zur Deckung der Spitzennachfrage verstärkt auf erneuerbare Energien zurückzugreifen. Dabei besteht die Gefahr, dass diese die Nachfrage nicht decken können, da es bei ihnen anders als bei Gas- und Kohlekraftwerken nicht möglich ist, die Produktion bei Bedarf beträchtlich zu steigern. Im schlimmsten Fall könnten sogar Stromausfälle drohen.

Abbildung 2: Preis und Angebot stehen nicht in einem linearen Verhältnis

Stilisierte PJM-Dispatch-Kurve. Stand: 11. April 2024. Quelle: ClearBridge Investments.

Eine Kombination aus deutlich höheren Preisen und einer geringeren Netzzuverlässigkeit dürfte zu einem erheblichen politischen Widerstand gegen den KI-Ausbau führen. Von den KI-Akteuren dürfte dann zunehmend nachdrücklich verlangt werden, dass sie einen angemessenen Beitrag leisten, anstatt die Kosten für den Bau von Rechenzentren über höhere Preise auf die Verbraucher abzuwälzen. Außerdem könnte es sein, dass sich die Tech-Giganten hinsichtlich neuer Netzanschlüsse hinten anstellen müssen, da sie im Vergleich zu Alternativen, wie z. B. neuen Fabriken, keine dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung auf lokaler Ebene versprechen. Sind diese Annahmen richtig, könnte der rasante Wachstumskurs, dem viele dieser Unternehmen folgen, irgendwann auf die schwerfälligere und lineare Realität treffen, was zu einer deutlichen Korrektur der Erwartungen führen dürfte.

Glücklicherweise wird dieser perfekte Sturm eines Nachfragewachstums, das auf eine traditionell wachstumsschwache Energiebranche trifft, teilweise dadurch entschärft, dass das Erdgasangebot in den USA durch die Förderung von Schiefergas zugenommen hat. Die Gewinnung von Energie aus Schiefergestein, einer wichtigen und immer wichtiger werdenden Energiequelle für die Stromerzeugung in den USA, hat zu einem exponentiellen Produktivitätsanstieg der Bohrungen geführt und zu einem Angebotswachstum beigetragen, das die Nachfrage übertroffen hat. Selbst angesichts der steigenden Gasnachfrage, die sich mit der zunehmenden Stromnachfrage noch verstärken dürfte, befinden sich die Erdgaspreise derzeit auf einem historischen Tiefstand (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: US-Erdgaspreise nahe historischer Tiefststände

Stand: 4. April 2024. Quelle: Bloomberg.

KI-Chancen im Versorgungs- und Energiesektor

Die Entwicklung hin zu höheren Strompreisen ist unseres Erachtens einer der stärksten fundamentalen Positivfaktoren für kapitalintensive zyklische Unternehmen. Dabei werden die letztendlichen Vorteile fast immer unterschätzt und es kommt zu einer Unterreaktion, die wir als Value-Investor nutzen können. Die KI-Begeisterung der Anleger richtet sich vor allem auf Mega-Cap-Entwickler und wachstumsstarke IT-Unternehmen. Doch in Sektoren wie der Versorgungs- und Energiewirtschaft ergeben sich Chancen, die nicht weniger interessant sind (wenn auch nicht ganz so aufsehenerregend).

Vor dem Hintergrund eines erwarteten Wachstums des Strombedarfs von möglicherweise 3 % oder mehr sehen wir eine der größten Chancen bei den Stromversorgern im Versorgungssektor, da erhebliche Investitionen in die Stromerzeugung und Netzkapazität angesichts höherer Strompreise gerechtfertigt erscheinen. Die Aussicht auf langfristige Preismacht aufgrund einer höheren Stromnachfrage durch die Entwicklung und Implementierung von KI hat die Kurse der Versorgungsunternehmen Vistra und Constellation Energy im Jahr 2024 nach oben schnellen lassen. Dies dürfte sich mit einer zunehmenden KI-Nachfrage noch verstärken. Da die großen Technologieunternehmen nach mehr erneuerbaren Energiequellen Ausschau halten, glauben wir, dass AES, ein Entwickler erneuerbarer Energien, mit am stärksten von der anhaltenden Nachfrage nach netzgebundener und netzunabhängiger Energie profitieren wird. Auch wenn dieser Trend der Aktie von AES bislang noch keinen Schwung verleiht, glauben wir, dass die Projektrenditen steigen werden und sich das Wachstum durch die Nachfrage nach erneuerbaren Energien deutlich intensivieren könnte.

Von einer Erholung der Erdgaspreise würden vor allem die Produzenten profitieren. Für sie dürften sich langfristig beträchtliche Wertschöpfungsmöglichkeiten ergeben, da sie wichtige Kandidaten sind, um die Lücke zwischen der wachsenden Stromnachfrage und den Stromerzeugungskapazitäten zu schließen. Da Erdgas reichlich vorhanden, relativ günstig und umweltfreundlicher als andere fossile Brennstoffe ist, dürfte der Produzent EQT ein beträchtliches Wachstum verzeichnen, nicht nur wegen der steigenden Nachfrage bestehender Kraftwerke, die ihre Spitzenlastkapazität erhöhen, sondern auch aufgrund des Baus neuer Erdgasturbinen und Flüssigerdgasanlagen (LNG) in den USA und im Ausland, der ebenfalls zu einer erhöhten Nachfrage führt.

Fazit

Wie jede Form der Kognition ist auch die KI energieintensiv, und Anleger, die glauben, digitale Innovationen wirkten rein deflationär, könnten eine Überraschung erleben. Höhere Strompreise in Märkten mit überdimensionierten KI-Infrastrukturen sind der Weg des geringsten Widerstands. Die Problematik der Stromversorgung großer Rechenzentren wird von den Anlegern möglicherweise unterschätzt und ist ein Risiko für das KI-Wachstum und die langfristige Outperformance vieler Aktien, die von der KI-Begeisterung profitieren.

Angesichts der historischen Marktkonzentration bei diesen Titeln dürfte ein beträchtlicher Teil der bei ihnen angehäuften Marktkapitalisierung in andere Segmente des Marktes zurückfließen. Dies kommt den Portfolios von Value-Investoren zugute, die sich von Mega Caps abwenden und Chancen in kapitalintensiveren, zyklischen Sektoren ergreifen.



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