Auf ihrer Juli-Sitzung nahm die Bank of Japan (BOJ) eine geringfügige Korrektur ihrer Politik zur Kontrolle der Zinskurve vor. Aber hat diese kleine Anpassung auch große Auswirkungen? In unserem letzten Update im März haben wir uns eingehend mit dem Wachstum im Dienstleistungssektor, der Inflation und der Ernennung von Gouverneur Ueda befasst. Nach der Kursänderung der BOJ in puncto Zinskurvensteuerung im Juli beleuchten wir die möglichen Auswirkungen auf den Verlauf der japanischen Inflation und die Folgen für japanische Staatsanleihen (JGBs) und den Yen (JPY).
Ein Wendepunkt bei der japanischen Inflation?
Japan steckte 30 Jahre lang in der Deflation, aber seit dem letzten Jahr gibt es Anzeichen für einen Wandel im System. Die jüngsten Inflationstrends lassen den Schluss zu, dass sich die ultralockere Geldpolitik der BOJ in den letzten 30 Jahren endlich ausgezahlt hat. Laut Daten von Macrobond und dem japanischen Statistikamt lag die japanische Kerninflation zwischen 1999 und 2019 bei durchschnittlich -0,24 %. Den aktuellen BOJ-Prognosen zufolge dürfte die Kerninflation zwischen 2022 und Mitte 2025 durchschnittlich 2,2 % betragen.
Die jüngste Preissteigerungstendenz bis Juli dieses Jahres war ungebrochen und wurde von einem starken, sich ausweitenden allgemeinen Trend angetrieben. Die vierteljährliche Tankan-Erhebung hat ergeben, dass die Preiserwartungen der Unternehmen im 1-, 3- und 5-Jahres-Segment weiterhin über 2 % liegen (siehe Abbildung 1).
Die im Frühjahr stattfindenden Shunto-Tarifverhandlungen für 2023 wurden kürzlich mit einem Lohnzuwachs von 3,58 % abgeschlossen, dem höchsten seit den frühen 1990er Jahren (siehe Abbildung 2). In Anbetracht der Tatsache, dass die Unternehmensgewinne voraussichtlich ein Allzeithoch erreichen werden, könnte sich dieser Trend durchaus fortsetzen.1 Die Aussicht auf höhere Löhne in Verbindung mit den Erwartungen der Unternehmen bezüglich einer steigenden Inflation könnte dazu führen, dass die Unternehmen eher geneigt sind, höhere Preise an die Verbraucher weiterzugeben als in der Vergangenheit.
Nicht zuletzt sind die Asset-Preise ein Indiz dafür, dass Japan endlich bereit sein könnte, seine lockere Geldpolitik aufzugeben. Die realen Preise für Wohnimmobilien sind seit 2021 überdurchschnittlich gestiegen (siehe Abbildung 3). Der japanische Aktienmarkt gehörte in diesem Jahr zu den Aktienmärkten mit der besten Wertentwicklung, wie die Wertentwicklung des Nikkei 225 Index zeigt.2
Abbildung 1: Preiserwartungen der Unternehmen laut Tankan
Prozent, Veränderung im Jahresvergleich, Stand: 2. Quartal 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond, BOJ (© 2023). Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Prognosen, Projektionen oder Schätzungen als richtig erweisen.
Abbildung 2: Shunto-Tarifverhandlungen im Frühjahr – Gewichtetes durchschnittliches Lohnwachstum
Prozent, Stand: 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond (© 2023).
Abbildung 3: Japan: Reale Preise für Wohnimmobilien
Log., Stand: 30. April 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond (© 2023). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Ein Kurswechsel in der BOJ-Politik? Erkenntnisse aus der letzten BOJ-Sitzung
Die erste Anpassung der Kontrolle der Zinskurve erfolgte im Dezember 2022, als der ehemalige Gouverneur Kuroda das Band auf +/-0,5 % erweiterte. Ziel dieser Maßnahme war es, die Marktstörung rund um die 10-jährigen japanischen Staatsanleihen und den anfänglichen Anstieg der Inflation zu begrenzen. Die jüngste Korrektur bei der Kontrolle der Zinskurve ist die zweite Änderung, womit Gouverneur Ueda die Handelsspanne des Bandes um weitere 0,5 % auf +/-1,0 % erweitert hat.
Angesichts der Ausweitung des Inflationstrends deckte sich die Anpassung des 10-Jahres-Zielbandes mit unseren Erwartungen hinsichtlich einer Änderung im zweiten Halbjahr 2023. Eine Ausweitung der Spanne an diesem Punkt trägt dazu bei, die Marktstörungen zu entschärfen. Gleichzeitig kann die geldpolitische Lockerung in ihrer derzeitigen Form fortgesetzt werden, bis die BOJ feststellt, dass eine Normalisierung erforderlich ist und sie sich von ihrer Negativzinspolitik (NIRP) lösen muss. Dabei stellt sich uns immer wieder folgende Frage: Möchte die BOJ die Realrenditen in dieser Phase des Wachstums und der Inflation (siehe Abbildung 4) weiterhin in einem solch extrem negativen Bereich halten?
Mit Blick auf die Zukunft glauben wir, dass die Inflation möglicherweise bis ins nächste Jahr hinein bei durchschnittlich 2 % liegen könnte, insbesondere wenn sich die Produktionslücke im zweiten Halbjahr dieses Jahres zu schließen beginnt (siehe Abbildung 5). Zur Erreichung dieser Rate muss die zyklische Wachstumsdynamik anhalten, ohne dass der Yen zu stark wird. Die BOJ ist sich sehr wohl bewusst, dass die Inflation bis ins nächste Jahr hinein anhalten könnte, was sich an dem Anstieg des im jüngsten Wirtschaftsausblick für das Finanzjahr 2024 ausgewiesenen Ausmaßes der Inflationsrisiken zeigt.
ntrol (YCC) tweak came in December 2022, when ex-Governor Kuroda widened the band to +/-0.5%. This response was aimed at relieving the market dysfunction in 10-year JGBs and the initial rise in inflation. The latest YCC tweak marks the second change, with Governor Ueda widening the trading range of the band further by another 0.5% to +/-1.0%.
Given the broadening out in the inflation trend, a tweak to the 10-year target band was within our expectations for some kind of change in the second half of 2023. A widening in the range at this point helps to ease off market dysfunction. At the same time, it allows monetary easing in its current form to continue until the BOJ determines that normalization out of its negative interest rate policy (NIRP) is needed. A question we constantly ask ourselves: Is the BOJ comfortable keeping real yields at such a negative extreme at this juncture of growth and inflation (see Exhibit 4)?
Looking ahead, we believe inflation could possibly be sustained at an average of 2% into next year, especially if the output gap starts to close in the second half of this year (see Exhibit 5). To achieve this rate, cyclical growth momentum needs to be sustained without the yen overly strengthening. The BOJ is well aware that inflation might be sustainable into next year, evidenced by the rise in the fiscal year 2024 balance of inflation risks contained in its latest economic outlook.
Abbildung 4: Realrenditen 10-jähriger japanischer Staatsanleihen
In Prozent, Stand: 30. Juni 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond (© 2023). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Abbildung 5: Japan: Produktionslücke
In Prozent, Stand: 1. Quartal 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond, BOJ, OECD, IWF (© 2023). Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Prognosen, Projektionen oder Schätzungen als richtig erweisen.
Sind die Inflations- und geldpolitischen Veränderungen bei japanischen Staatsanleihen und dem Yen eingepreist?
Die jüngste Korrektur der Kontrolle der Zinskurve führte zu einem Ausverkauf bei 10-jährigen japanischen Staatsanleihen. Allerdings hat die BOJ nach ihrer Sitzung Anleihen gekauft, um die Erwartungen des Marktes an eine schnelle Renormalisierung zu dämpfen. Auch die Wertsteigerung des Yen ist nicht besonders überzeugend ausgefallen.
Wie wir in unserem Blog vom März 2023 erörtert haben, glauben wir weiterhin, dass eine Abschaffung der Kontrolle der Zinskurve und der Negativzinspolitik im Jahr 2024 ein Thema sein könnte. Der Zeitpunkt dieser Kehrtwende wird entscheidend sein. Vermutlich wird dies irgendwann nach dem Beginn der Shunto-Tarifverhandlungen 2024 der Fall sein, denn Gouverneur Ueda hat sich nachdrücklich für eine anhaltende Lohninflation nicht nur im Jahr 2023, sondern auch im Jahr 2024 ausgesprochen.
Die mittelfristigen Auswirkungen auf Investitionen gehen weiterhin in Richtung eines moderaten Anstiegs der Renditen von japanischen Staatsanleihen und eines stärkeren Yen. Eine Erholung der japanischen Leistungsbilanz und ein Höchststand des US-Leitzinses in einer Zeit, in der sich Japan auf eine weitere Normalisierung zubewegt, sind unserer Ansicht nach Faktoren, die den Yen im nächsten Jahr stützen werden (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: Japan: Leistungsbilanz und JPY
JPY, Mrd., Stand: 30. Juni 2023

Quellen: Brandywine Global, Macrobond (© 2023).
Fußnoten:
- Quelle: „Major Japan firms expect FY2023 net profit to rise 4% to record high“, The Japan Times, 10. Juni 2023
- Quelle: Shankar, V. „Investors are putting big money into Japan. Here’s why“, The New York Times, 14. Juni 2023.
Definitionen:
Die Bank of Japan (BOJ) ist die Zentralbank Japans und für die Währung Yen verantwortlich.
Der Nikkei 225 Index oder Nikkei Stock Average ist ein kursgewichteter Aktienindex, der sich aus 225 Aktien des Prime Market der Tokioter Börse zusammensetzt. Er ist der wichtigste Indikator für die Entwicklung der japanischen Aktienmärkte.
Shunto bezieht sich auf die jährlichen Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften der Unternehmen und den Arbeitgebern in Japan. Jedes Frühjahr ab Februar oder März führen Tausende von Gewerkschaften gleichzeitig Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern. Diese Tradition begann im Jahr 1956, als Japans Nachkriegswirtschaft boomte.
Kontrolle der Zinskurve („Yield Curve Control“, YCC) bedeutet, dass eine Zentralbank einen längerfristigen Zinssatz anstrebt und hierfür so viele Anleihen kauft oder verkauft, wie für die Erreichung des Zielsatzes erforderlich ist.
Die Tankan-Erhebung ist eine von der japanischen Zentralbank durchgeführte Konjunkturumfrage unter japanischen Unternehmen.
Eine Negativzinspolitik („Negative Interest Rate Policy“, NIRP) ist ein unkonventionelles geldpolitisches Instrument. Die nominalen Zielzinssätze werden auf einen negativen Wert gesetzt, der unterhalb der theoretischen Untergrenze von 0 % liegt.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für künftige Ergebnisse dar. Es sei darauf hingewiesen, dass eine direkte Investition in einen Index nicht möglich ist. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Renditen nicht gemanagter Indizes nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasurys) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit gesichert werden. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen werden Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung gesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste, die auf einen Rückgang des Marktwerts dieser Wertpapiere zurückzuführen sind.

