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Die Pressekonferenz nach der Dezembersitzung der US-Notenbank (Fed) wirft eine interessante Frage auf: Warum hielt es der Fed-Vorsitzende Jerome Powell für erforderlich, eine bereits kräftige Finanzmarktrally weiter anzufachen?

Beruhigende US-Inflationsdaten hatten die Zuversicht des Marktes im Vorfeld der Sitzung bereits gestützt. So hatten die Aktienkurse deutliche Zuwächse verzeichnet, und die Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen waren von ihrem Höchststand bei fast 5 % Mitte Oktober um einen ganzen Prozentpunkt zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund zeigen die ausgeprägt „bullischen“ Maßnahmen während der Fed-Sitzung und in der unmittelbaren Folge, dass Powells Äußerungen sehr viel moderater waren als erwartet. Tatsächlich greifen die Kommentare der meisten Analysten das Thema eines verfrühten Geschenks für die Anleger auf.

Die Mehrheit der Analysten und Anleger erwartete eindeutig, dass Powell die starken Erwartungen auf baldige Zinssenkungen dämpfen würde. Doch in der Fragerunde mit der Presse nach der geldpolitischen Sitzung schien Powell dies zu ignorieren. Er argumentierte, dass die Fed aufgrund des wilden Aufs und Abs der Märkte im vergangenen Jahr besser daran täte, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren und die Schwankungen des Marktes nicht zu beachten.

Auch wenn eine gewisse Frustration über die Marktvolatilität nachvollziehbar ist, erscheint die Ignorierung der wirtschaftlichen Auswirkungen der finanziellen Bedingungen als ziemlich sonderbare Entwicklung. Vor knapp einem Monat hatte Powell festgestellt, dass eine marktbedingte Straffung der finanziellen Bedingungen der Fed die Aufgabe der Inflationsbekämpfung teilweise abnehme. Dieselbe Logik impliziert, dass die kräftige Marktrally im Vorfeld der Dezembersitzung einen erheblichen Teil der Fed-Bemühungen um eine geldpolitische Straffung wettgemacht hatte. Powell beschloss jedoch, dies zu ignorieren. Das ist bemerkenswert, da die finanziellen Bedingungen nun wieder auf dem Stand von Juni 2022 sind, als die Leitzinsen lediglich 1,75 % betrugen.

Finanzielle Bedingungen liegen wieder auf den Niveaus von Juni 2022

2020–2023

Quellen: Franklin Templeton Fixed Income Research, Bloomberg, Macrobond. Stand: 14. Dezember 2023. Der Goldman Sachs US Financial Conditions Index ist ein gewichteter Durchschnitt risikoloser Zinssätze, des Wechselkurses, der Aktienbewertungen und der Kredit-Spreads. Dabei entsprechen die Gewichtungen der direkten Auswirkung jeder Variable auf das US-Bruttoinlandsprodukt. Indizes werden nicht verwaltet und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten und Ausgabeaufschläge sind nicht berücksichtigt. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung. Weitere Informationen zum Datenanbieter finden Sie unter www.franklintempletondatasources.com.

Dies verstärkt die Wahrnehmung, dass der Kampf gegen die Inflation nach Einschätzung der Fed bereits gewonnen sei. Und in der Tat nahm Powell nach meinem Eindruck hier Anleihen bei Shakespeares Marcus Antonius, denn er verkündete den Sieg, während er lautstark und wiederholt beteuerte, dass er den Sieg nicht verkünde. Marcus Antonius rief aus: „Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen“, um dann zu einer leidenschaftlichen Lobrede auf den ermordeten Imperator anzuheben. In ähnlicher Weise warnte Powell, dass weitere Fortschritte bei der Disinflation erforderlich und nicht garantiert seien, um dann hervorzuheben, dass die Verringerung der Inflation rascher und weniger schmerzhaft vonstattengehe, als gemeinhin erwartet wurde, und dass mit einer Fortsetzung gerechnet werde. Pflichtbewusst warnte er, dass weitere Zinserhöhungen nicht vom Tisch seien, erzählte uns aber, dass der Offenmarktausschuss seine Aufmerksamkeit bereits auf den Zeitpunkt der Zinssenkungen gerichtet habe.

Es gibt vieles, worauf die Fed stolz und worüber sie glücklich sein kann. Nach einem späten Beginn erhöhte sie die Zinssätze rasch und entschlossen. Tatsächlich ist die Inflation rascher, als die meisten Experten erwartet hatten, gesunken, während sowohl das Wachstum als auch der Arbeitsmarkt in einer besseren Verfassung bleiben, als die meisten Analysten zu hoffen gewagt hatten. Wie Powell uns in Erinnerung rief, sagten die die meisten Analysten in der Tat voraus, dass die USA 2023 in eine Rezession eintreten. Wir bei Franklin Templeton Fixed Income waren am optimistischen Ende des Spektrums und gingen davon aus, dass eine etwaige Rezession, wenn überhaupt, kurz und flach sein würde.

Die beiden zentralen Fragen lauten nun: Inwieweit hat die geldpolitische Straffung bislang zur Disinflation beigetragen, und welcher geldpolitische Kurs ist nötig, um die Inflation nachhaltig auf den Zielwert zurückzuführen? Powells Beurteilung schien wieder an die Sichtweise der „vorübergehenden Inflation“ anzuknüpfen. Der Anstieg der US-Inflation, so seine Argumentation, spiegele einen gewissen Nachfrageüberhang wider, insbesondere jedoch eine Kombination außerordentlicher Angebotsbeschränkungen. Diese hätten sich umgekehrt, und mit dem steigenden Arbeitskräfteangebot und den nachlassenden Engpässen in den Lieferketten würden Fortschritte bei der Disinflation bei geringem Schaden für die Wirtschaft möglich.

Powell führte weiter an, dass eine zusätzliche angebotsbedingte Disinflation absehbar sei. Er gestand ein, dass die „letzte Meile“ bei der Disinflation theoretisch schwieriger werde, sobald der Impuls von der Angebotsseite nachlässt und wir uns auf die Dämpfung der Nachfrage stützen müssen. So weit sei es jedoch noch nicht, fügte Powell an. Dies deutet auf eine größere Zuversicht hin, dass die Disinflation weitgehend durch die Behebung der Angebotsschocks erreicht werden kann. In dieser Hinsicht lässt sich argumentieren, dass die Zinserhöhungen erforderlich waren, um einen weiteren Nachfrageüberschuss zu vermeiden und die Inflationserwartungen fest verankert zu halten. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt dies jedoch kein Problem mehr dar, denn Wachstum und Inflationsrisiken befinden sich nun im Gleichgewicht, und aufgrund der Anzeichen für eine schwächere Aktivität dürfte sich der Fokus dann zur Begrenzung der Rezessionsrisiken auf die Lockerung der Politik verlagern. In diesem Zusammenhang betonte Powell auch, wie restriktiv er die Geldpolitik einschätze, und beschrieb sie als „deutlich im restriktiven Bereich“.

Ob diese größere Zuversicht in Bezug auf das, was als „neue Theorie der vorübergehenden Inflation“ bezeichnet werden könnte, gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten. Wie ich in meinen vorherigen „Gedanken zur aktuellen Lage“ erläuterte, lässt sich abhängig von der verwendeten Kennzahl, sei es der Verbraucherpreisindex (VPI) oder die Gesamt- oder Kerninflation der persönlichen Konsumausgaben (PCE), mit Änderung über zwölf Monate oder monatlich annualisiert, ein mehr oder weniger beruhigendes Inflationsbild zeichnen. Die Fed bezeichnet eine „Supercore“-Kennzahl der Dienstleistungsinflation ohne Lebensmittel, Energie und Wohnen als besonders repräsentativ für den zugrunde liegenden Inflationsdruck.

In den vergangenen drei Monaten liegt der Wert des Supercore-VPI bei einer annualisierten Rate von 5,2 %. Dies ist nach wie vor ziemlich weit weg vom Fed-Zielwert von 2 %. Powell räumte ein, dass auch das Lohnwachstum für die Erreichung des Inflationsziels nach wie vor zu kräftig sei.

Supercore-VPI beschleunigt sich im zweiten Halbjahr 2023

2017–2023

Quellen: Franklin Templeton Fixed Income Research, BEA, Macrobond. Stand: 14. Dezember 2023. Indizes werden nicht verwaltet und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten und Ausgabeaufschläge sind nicht berücksichtigt. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.

Ein spürbarer Rückgang der Inflation bei einer sehr resilienten US-Konjunktur rechtfertige, so Powell, die Verlagerung des Fokus auf Zinssenkungen, um die Abwärtsrisiken für das Wachstum zu begrenzen. Der gleiche makroökonomische Ausblick könnte jedoch gleichermaßen einen ganz anderen Kurs rechtfertigen: Die Stärke der Konjunktur beweist, dass die Geldpolitik nicht zu restriktiv ist, und verschafft der Fed Spielraum, um den aktuellen geldpolitischen Kurs für längere Zeit beizubehalten, damit die Inflation nachhaltig auf ihren Zielwert zurückkehrt.

Tatsächlich sollten die aktuellen Konjunkturdaten vor einem solchen Wechsel auf einen lockereren Kurs gewarnt haben. Trotz steigender Erwerbsquote ging die Arbeitslosigkeit im November zurück, das annualisierte Dreimonats-Lohnwachstum bei Nicht-Führungskräften beschleunigte sich, die Einzelhandelsumsätze übertrafen im November die Erwartungen, der Supercore-VPI beschleunigte sich in den vergangenen Monaten, und das US-Haushaltsdefizit dürfte im kommenden Jahr weiter ansteigen.

Die Abwägung zwischen Inflations- und Wachstumsrisiken für 2024 ist besonders schwierig. Neben der wirtschaftlichen Unsicherheit der nachpandemischen Erholung besteht eine hohe geopolitische Unsicherheit, und in den USA beginnt das Wahljahr. Powells Entscheidung, die Marktrally weiter anzufachen, als sich die finanziellen Bedingungen bereits wesentlich gelockert hatten, zeigt mir, dass die Fed in Bezug auf die Inflationsrisiken viel entspannter ist. Nach meiner Auffassung erhöht diese weitere drastische Lockerung der finanziellen Bedingungen jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die letzte Meile der Disinflation tatsächlich als schwieriger herausstellen wird. Dies wiederum dürfte eine höhere Marktvolatilität auslösen. Möglicherweise wird die letzte Meile nicht so viel schwieriger, doch der Weg dürfte holpriger sein, als von den Märkten derzeit erwartet wird.



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