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Die Krise um die Schuldenobergrenze wurde abgewendet. Dies sollte ein Grund für ungetrübte Freude sein. Die parteiübergreifende Einigung wurde erst wenige Tage vor dem 5. Juni 2023 erzielt, dem Tag, an dem die Regierung laut US-Finanzministerin Janet Yellen vermutlich nicht mehr in der Lage gewesen wäre, alle ihre Verbindlichkeiten zu bedienen.

Die Einigung bei der Schuldenobergrenze räumt eine bedeutende Unsicherheit am Horizont aus dem Weg. Dies ist für die Finanzmärkte, die Wirtschaft und das internationale Ansehen der USA positiv. Und es geschieht ohne eine größere fiskalische Straffung, die Wachstumssorgen hätte auslösen können. All das sind sicherlich gute Neuigkeiten.

Die langfristigen Risiken in Verbindung mit dem fiskalischen Ausblick sind nach meiner Einschätzung jedoch größer geworden, und die Marktteilnehmer täten gut daran, dies nicht zu vergessen. Ich erkläre es:

  1. Die langfristige Haushaltslage verbessert sich derzeit nicht. Laut Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) betrugen die Staatsschulden der USA Ende des vergangenen Jahres mehr als 120 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und waren somit doppelt so hoch wie vor der globalen Finanzkrise (2007) und höher als bei den meisten Ländern der Europäischen Union (EU). Nach den Prognosen des IWF werden sie sich bis 2028 der Marke von 140 % des BIP annähern. Wenn wir die von der Öffentlichkeit gehaltenen Schulden betrachten1, eine in der Debatte in den USA häufiger verwendete Kennzahl, sind die Zahlen etwas niedriger, doch der Trend sieht ebenso besorgniserregend aus. Sie betrugen vor der globalen Finanzkrise 35 % des BIP und erreichten im vergangenen Jahr 97 % des BIP. Für die Zukunft prognostiziert das Congressional Budget Office (CBO) 120 % des BIP bis 2033 und knapp 200 % des BIP bis 2053.2 (Hinweis: Der aktuelle Haushaltsausblick des CBO wurde im Februar veröffentlicht und vor der Einigung über die Schuldenobergrenze erstellt.)

Vom Publikum gehaltene Schulden des Bundes in Prozent des BIP

1970–2022

Quellen: OMB, St. Louis Fed. Stand: 31. Dezember 2022.

Bruttoverschuldung in Prozent des BIP

2007–2028 (Prognose)

Auf Basis von Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Quelle: IWF, Datenbank „World Economic Outlook“, April 2023. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Schätzungen oder Prognosen bewahrheiten.

Vom Publikum gehaltene Schulden (Prozent des US-BIP)

2007–2053 (Prognose)

Quelle: Congressional Budget Office, The Budget and Economic Outlook: 2023–2033. Stand: April 2023. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Schätzungen oder Prognosen bewahrheiten.

 

Ordnet man die Dinge noch stärker in einen historischen Kontext ein, so hat die Schuldenquote fast die Niveaus der Nachkriegszeit erreicht:

Aktuelle Schuldenquote der USA fast so hoch wie die Verschuldung nach dem Krieg

1940–2022

Quellen: Franklin Templeton Fixed Income Research, CBO, OMB, US-Finanzministerium, BEA, Macrobond. Stand: 31. Dezember 2022.

  1. Die jüngsten heftigen Debatten über mögliche Ausgabenkürzungen beleuchten das zugrunde liegende Problem: Auf Ermessensausgaben entfällt lediglich knapp mehr als ein Viertel der Ausgaben der öffentlichen Hand. Dies sind 6,6 % des BIP (per 2022). Die Ermessensausgaben außerhalb des Verteidigungssektors machen nur läppische 3,6 % des BIP aus. Das bietet kaum Spielraum für fiskalische Anpassungen. Die anderen drei Viertel der öffentlichen Ausgaben bestehen aus obligatorischen Ausgaben (16,3 % des BIP), zumeist Anspruchsprogrammen wie z. B. der Sozial- und Krankenversicherung, und lassen sich insbesondere in Anbetracht einer alternden Bevölkerung nur sehr schwer verringern. Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass die Tage, an denen der Staat fast zum Nulltarif Schulden aufnehmen konnte, gezählt sein dürften. Daher werden die Zinskosten für die Schulden den Haushalt sehr viel stärker belasten. Für die Nettozinszahlungen wird ein drastischer Anstieg vom Durchschnitt aus der Zeit nach der globalen Finanzkrise auf rund die Hälfte der künftigen Haushaltsdefizite prognostiziert.
  2. Die politische Polarisierung hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, und derzeit gibt es keine Anzeichen für eine Wendung der Lage. Hierdurch wird die Erzielung einer Einigung über dauerhafte Anpassungen bei den Staatseinnahmen und -ausgaben noch schwieriger. Schon in einem von besserer Zusammenarbeit geprägten politischen Klima wäre dies eine heikle und herausfordernde Aufgabe.
  3. Dies würde in jedem Land für einen schwierigen fiskalischen Ausblick sorgen. In den USA gibt es die zusätzliche institutionell bedingte Komplikation einer in nominalen Dollar-Werten festgesetzten Schuldenobergrenze. Wenn die Wirtschaft wächst, sind daher, selbst wenn die Schulden anteilig zum BIP nur stabil gehalten werden sollen, aktive Entscheidungen zur Anhebung der Schuldengrenze erforderlich. Daher sind hitzige Debatten über die Schuldenobergrenze ein integraler Bestandteil des Prozesses. In ruhigeren Zeiten sollte die Änderung der Schuldenobergrenze einfach das natürliche Ergebnis besonnener Debatten im Haushaltsprozess sein. Dies ist, wie wir sehen, jedoch nicht immer der Fall.
  4. Die Finanzmärkte scheinen sich an den drohenden Zahlungsausfall zu gewöhnen. In den vergangenen Wochen blieben die Anleger auch dann relativ ruhig, als führende Regierungsvertreter wie Yellen warnten, dass die USA irgendwann ihre Schulden nicht mehr bedienen könnten. Es kam zu gelegentlichen Erschütterungen an den Aktienmärkten und Verzerrungen bei den Kursen kurzlaufender US-Staatsanleihen, doch insgesamt gingen die Finanzmärkte mit der Gefahr des Zahlungsausfalls entspannt um. Schließlich handelte es sich stets um ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis, und ähnliche Risiken im Jahr 2011 traten ebenfalls nicht ein.
  5. Aus meiner Sicht signalisiert dies das Risiko einer Eskalation. Eine sich verschlechternde Haushaltslage wird die politischen Unstimmigkeiten über die Ausgaben und Steuern noch verschärfen, und die Versuchung, einen waghalsigen politischen Kurs zu steuern, wird größer werden, insbesondere, wenn erwartet wird, dass die Finanzmärkte weiterhin besonnen reagieren werden.

 

Daher besteht das Risiko, dass die Androhung eines Zahlungsausfalls immer mehr zu einer gängigen Verhandlungstaktik wird. Immer wenn der Kongress geteilt ist, wird die Versuchung groß sein, auf die „nukleare Bedrohung“ zurückzugreifen, die notwendige Anhebung der Schuldenobergrenze zu blockieren, und wenn die Finanzmärkte das abermals entspannt sehen, könnten Politiker versucht sein, sich gegenseitig immer näher an den Abgrund zu treiben. Zumindest könnte uns dies weitere Behördenschließungen bescheren. Allerdings haben wir vergleichbare Fälle bereits überstanden. Das weltweite Ansehen der USA und des Dollar wird in Mitleidenschaft gezogen, doch ich erkenne in absehbarer Zukunft keine brauchbare Alternative für den Dollar als wichtigste Reservewährung. Somit dürften die Auswirkungen auch hier begrenzt sein.

Je mehr die politischen Parteien in Bezug auf die Schuldenhöhe ein waghalsiges Spiel treiben, ohne die zugrunde liegende fiskalische Schwäche zu beheben, desto größer ist allerdings das Risiko, dass dies an einem gewissen Punkt eine unerwartet drastische Spitze der Marktvolatilität auslösen wird.

Die unmittelbare Krise wurde abgewendet, doch der Schatten, den steigende Schulden auf die Finanzmärkte werfen, ist nach meiner Auffassung bedrohlicher geworden.



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