AUTOREN

Jeffrey Schulze, CFA
Head of Economic and Market Strategy

Josh Jamner, CFA
Investment Strategy Analyst
Wichtigste Inhalte
- Unseres Erachtens deutet der Aufwärtstrend bei den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe trotz der insgesamt weiter guten Arbeitsmarktzahlen auf eine bevorstehende Schwäche hin. Vermehrte Anträge von höheren Einkommensgruppen stellen eine untypische Verschiebung dar, die auf einen unerwartet starken Konsumrückgang in der zweiten Jahreshälfte hinweisen könnte.
- Weitere Risse unter der Oberfläche zeigen sich in unterschiedlichen Arbeitsmarktdaten, darunter eine rückläufige Kündigungsquote, eine schwächere Einschätzung der Beschäftigungslage durch das Conference Board und ein negativer Trend bei den geleisteten Arbeitsstunden. Normalerweise verschlechtern sich diese Daten vor dem Arbeitsmarkt im weiteren Sinne.
- Da nur mäßige Fortschritte bei der Minderung des Arbeitsmarktdrucks erzielt werden, wird die Fed die Zinssätze wahrscheinlich länger auf einem höheren Niveau halten, als die Finanzmärkte derzeit einpreisen.
Starke Beschäftigungszahlen verdecken zugrunde liegende Schwäche
Die US-Aktienmärkte bewegten sich im Mai innerhalb einer festen Bandbreite, die Marktführerschaft konzentriert sich weiterhin auf die größten Komponenten des S&P 500 Index. Insbesondere haben die fünf größten Mitglieder der Benchmark in diesem Jahr 85 % des Gesamtertrags erwirtschaftet, d. h. der Beitrag der übrigen 495 Unternehmen beläuft sich auf nur 15 %. Eine Verschlechterung der Bandbreite geht typischerweise mit einem Bullenmarkt in den letzten Zügen einher und ist keine solide Grundlage für eine Rallye, auf der man aufbauen kann. Ähnlich wie an den Aktienmärkten zeichnet sich auch auf dem US-Arbeitsmarkt unter der Oberfläche eine Abwärtsentwicklung ab, während die wichtigsten Zahlen nach wie vor stabil sind.
Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Quartalen als die solideste Stütze der US-Wirtschaft erwiesen: Im Jahr 2023 wurden jeden Monat durchschnittlich 314.000 Arbeitsplätze geschaffen, auch wenn sich die Konjunktur in anderen Bereichen deutlich abgekühlt hat. Tatsächlich übertrafen die ersten Veröffentlichungen für die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft (Arbeitsplätze) in den letzten 14 Monaten die Konsensschätzungen. Das ist die längste Serie von fortlaufend über den Erwartungen liegenden Ergebnissen seit mindestens 25 Jahren. Trotz des robusten Arbeitsmarktes sind wir weiterhin der Überzeugung, dass die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe ein Warnsignal sind. Insbesondere tendieren sie in den letzten Monaten nach oben, was mit ihrer gelben oder zur Vorsicht mahnenden Anzeige auf dem ClearBridge Recession Risk Dashboard übereinstimmt.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe schwanken in der Regel von Woche zu Woche, weshalb wir sie auf der Grundlage eines gleitenden Vier-Wochen-Durchschnitts bewerten. Obwohl die Entwicklung der Anträge in den letzten drei Monaten eine Aufwärtsverschiebung zu bestätigen scheint, ist die beträchtliche Verschiebung bei den Antragstellern noch aufschlussreicher. Ein zunehmender Anteil der Anträge wird von den mittleren und oberen Einkommensgruppen gestellt, während die Anträge der unteren Einkommensgruppen zurückgegangen sind. Diese Dynamik ist untypisch, aber nicht unvereinbar mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in den üblicherweise besser bezahlten Technologie- und Finanzsektoren. Angesichts dieser einzigartigen Verschiebung hin zu Besserverdienenden, die ihren Arbeitsplatz verlieren, könnte der Konsum später im Jahr 2023 stärker zurückgehen als erwartet, da die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenhilfe derzeit steigt.
Abbildung 1: Warnsignal
Stand: 26. Mai 2023. Quelle: Bloomberg, Bureau of Labor Statistics (BLS). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Weitere Risse unter der Oberfläche zeigen sich in zahlreichen Arbeitsmarktdaten. Beispielsweise beinhaltete die JOLT-Erhebung über offene Stellen und Fluktuation am Arbeitsmarkt (Job Openings and Labor Turnover) in ihrer letzten Veröffentlichung eine verbesserte Zahl der offenen Stellen, was auf eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften hindeutet. Die von der Umfrage erfasste Kündigungsquote – die misst, wie viele Arbeitnehmer ihre Stelle aufgeben, und die ein weiterer Indikator für die Gesundheit des Arbeitsmarktes ist, da die meisten Arbeitnehmer nur kündigen, um eine neue Stelle anzutreten – ist jedoch vom sehr hohen Niveau vor der Pandemie zurückgefallen. Das lässt vermuten, dass sich der Arbeitsmarkt tatsächlich auf ein normaleres Niveau abkühlt.
Abbildung 2: Rückläufige Kündigungsquote signalisiert schwächelnde Stimmung am Arbeitsmarkt
Stand: 30. April 2023. Quelle: BLS, National Bureau of Economic Research (NBER) und Bloomberg. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Die Tatsache, dass weniger Arbeitnehmer aufgrund einer neuen Stelle kündigen, steht im Einklang mit der sich verschlechternden Stimmung auf dem Arbeitsmarkt gemäß der Umfrage des Conference Board zum Verbrauchervertrauen, einem der Arbeitsmarktindikatoren für das ClearBridge Recession Risk Dashboard. Dieser Indikator verschlechterte sich im vergangenen Monat auf ein rotes bzw. rezessives Niveau, da der Anteil der Arbeitnehmer, die angaben, es gäbe reichlich Arbeitsplätze, gesunken war. Zugleich erhöhte sich der Anteil der Personen leicht, die erklärten, es sei schwer, einen Arbeitsplatz zu finden – ein Trend, der sich fortsetzt.
Der Beschäftigungsbericht selbst lässt auch mehrere Brüche erkennen, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Obwohl die Löhne insgesamt weiterhin kräftig zunehmen, ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden seit dem Höchststand Anfang 2021 stetig gesunken. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden geht zu Beginn einer Rezession in der Regel zurück, da die Arbeitgeber angesichts der abklingenden Nachfrage Schichten abbauen. Diese Kennzahl ist inzwischen unter das Durchschnittsniveau der letzten Expansionsphase abgerutscht und zeigt keine Anzeichen einer Stabilisierung. Die Verringerung der geleisteten Arbeitsstunden in Verbindung mit dem starken Anstieg der Neueinstellungen könnte auf ein Horten von Arbeitskräften hindeuten, da Unternehmen nach den Einstellungsschwierigkeiten der letzten Jahre möglicherweise nur ungern ihren Personalbestand verkleinern. Auch wenn das Horten von Arbeitskräften weitergehen kann, ist es unserer Meinung nach nur eine Frage der Zeit, bis der Rentabilitätsdruck zu Kostensenkungsmaßnahmen, einschließlich Entlassungen, führt.
Abbildung 3: Zahl der geleisteten Arbeitsstunden hat wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht

Stand: 31. Mai 2023. Quelle: BLS, NBER und Bloomberg. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stärke des Arbeitsmarktes die schwächeren Trends bei Gesamtbeschäftigung und Konsum überdeckt. Die Gesamtzahlen haben sich zwar abgekühlt, sind aber immer noch zu hoch, wenn die Inflation auf das Fed-Ziel von 2 % zurückgehen soll. Besonders hervorzuheben sind die Löhne: Der durchschnittliche Stundenlohn liegt bei über 4 % für alle Arbeitnehmer und bei 5 % für Arbeitskräfte in der Produktion und ohne Führungsaufgaben, die etwa 80 % der gesamten Beschäftigung in den USA ausmachen. Alternative Lohnkennzahlen wie der von der Fed bevorzugte Beschäftigungskostenindex (Employment Cost Index) und der Lohnwachstumstracker (Wage Growth Tracker) der Atlanta Fed befinden sich auf ähnlich hohen Niveaus, die nicht mit einer Inflation von 2 % vereinbar sind. Das Lohnproblem ist nicht neu. Tatsächlich war das Lohnwachstum das erste Signal auf dem Dashboard, das 2021 erst auf Gelb und dann auf Rot schaltete. In diesem Monat gibt es keine Änderungen am Dashboard.
Abbildung 4: ClearBridge Recession Risk Dashboard

Quelle: ClearBridge Investments.
Vor diesem Hintergrund wird die Federal Reserve (Fed) die Zinsen wahrscheinlich länger auf einem höheren Niveau halten, als es den Anlegern recht ist. Die Inflation ist zwar zurückgegangen, aber immer noch viel zu hoch, um sie hinnehmen zu können. Die Abschwächung des Arbeitsmarktes zur Verringerung des Lohnanstiegs und damit des Konsums wird einige Zeit dauern, dürfte aber letztlich dazu beitragen, die Inflation wieder auf das Zielniveau zu senken. Es werden zwar Fortschritte erzielt, dennoch sind weitere Anstrengungen erforderlich, um den Preisdruck zu dämpfen. Für Aktienanleger könnten sich die Diskontsätze nach oben verschieben bzw. nicht so schnell fallen wie vom Markt erwartet, was die Bewertungen unter Druck setzen könnte. Die Marktbewertung für die Geldpolitik in den kommenden Monaten scheint sich der Erwartung der Fed anzunähern, die höhere Zinssätze prognostiziert, auch wenn es immer noch eine Divergenz gibt. Daher bevorzugen wir weiterhin Aktien mit eher defensiven Eigenschaften.
Definitionen
Das ClearBridge Recession Risk Dashboard umfasst eine Gruppe von 12 Indikatoren, die zur Untersuchung des Zustands der US-Wirtschaft und der Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs herangezogen werden.
Das Federal Reserve Board („Fed“) ist für die Formulierung der US-Geldpolitik verantwortlich, die Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisstabilität und eine nachhaltige Struktur für internationalen Handel und Zahlungen fördern soll.
Der S&P 500 Index ist ein nicht gemanagter repräsentativer Index aus 500 Aktien, der generell die Performance von Großunternehmen in den USA widerspiegelt.
Die Erhebung über offene Stellen und Fluktuation am Arbeitsmarkt (Job Openings and Labor Turnover Survey, JOLTS) wird vom US-Arbeitsministerium durchgeführt und liefert Daten über offene Stellen, Neueinstellungen und Entlassungen.
Der Beschäftigungskostenindex (Employment Cost Index) misst die Veränderung der Arbeitskosten pro Stunde für Arbeitgeber im Laufe der Zeit.
Der Lohnwachstumstracker (Wage Growth Tracker) der Atlanta Fed ist eine Kennzahl, die das nominale Lohnwachstum von Einzelpersonen misst.
WELCHE RISIKEN GIBT ES?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar. Indizes werden nicht aktiv gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Indexrenditen nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen sowie soziale, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasuries) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben werden und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit abgesichert sind. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen sind Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung abgesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf bestimmte Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste durch einen gesunkenen Marktwert dieser Wertpapiere.
