Für Japans Wirtschaft scheint endlich alles gut zu werden. Aus einer breiten makroökonomischen Perspektive ist das jüngste Wachstum Japans ermutigend. Auch die prognostizierte künftige Wirtschaftstätigkeit im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor macht einen guten Eindruck – das ist besonders wichtig im Hinblick auf Japans nominales Bruttoinlandsprodukt (BIP). Lange Zeit – fast 20 Jahre – wuchs Japans Wirtschaft kaum oder gar nicht. Inzwischen nähert sich das BIP endlich dem vor etwa acht Jahren unter Premierminister Shinzo Abe gesetzten Ziel von 600 Bio. JPY (Abb. 1). Das Erreichen dieses Ziels wäre eine gute Nachricht, denn so könnte Japan endlich seine extrem lockere Geldpolitik beenden. Die japanische Regierung plant zudem Konjunkturmaßnahmen für die Wirtschaft, um die Inflation abzufedern. Angesichts dieser Entwicklungen dürfte sich die wirtschaftliche Erholung Japans fortsetzen.
Abbildung 1: Japans nominales BIP nähert sich dem „Abenomics“-Ziel von 600 Billionen Yen
JPY, Billionen, Stand: 1. April 2023

Quellen: Macrobond, Cabinet Office (© 2023). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftigen Renditen.
Bei ihrer Sitzung im Juli passte die Bank of Japan (BOJ) ihre Politik der Zinskurvenkontrolle an, indem sie die Handelsspanne für japanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit auf +/–1 % ausweitete. Bis jetzt haben die Renditen der zehnjährigen japanischen Staatsanleihen die Spanne noch nicht auf die Probe gestellt und blieben bei rund 0,7 %. Das könnte teilweise daran liegen, dass die BOJ früh am Markt aktiv war und sich bemühte, die Renditen in den ersten Tagen der ausgeweiteten Handelsspanne niedrig zu halten (Abb. 2). Der Erfolg bei der Stabilisierung der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen dürfte der BOJ das Vertrauen geben, dass die Zinskurvenkontrolle ohne größere Störungen im Finanzsystem ganz abgeschafft werden könnte.
Abbildung 2: Renditen 10-jähriger japanischer Staatsanleihen
%, Stand 25. September 2023

Quelle: Bloomberg (©2023, Bloomberg Finance LP).
Positiver Ausblick für Inflation und Wachstum
Betrachtet man die Inflationsseite der Gleichung, so steht der Kern-Verbraucherpreisindex noch immer bei über 2 % (Abb. 3). Zudem scheinen sich ganz grundsätzlich die Preissteigerungen für Waren nicht zu verlangsamen. Der SRI-Hitosubashi Point of Sale Consumer Purchase Price Index deutet darauf hin, dass die Inflation die Erwartungen noch immer übertreffen könnte und dass Japan wahrscheinlich noch mindestens sechs Monate vom Höhepunkt der Inflation entfernt ist.
Abbildung 3: Inflation in Japan steigt weiter
Prozent, Jahresvergleich, Stand: 31. August 2023

Quelle: Brandywine Global, Macrobond (© 2023).
Geldpolitik dürfte sich normalisieren
Da die Inflation in Japan anhalten dürfte, obwohl die meisten anderen Industrieländer deutliche Fortschritte gegen den Preisdruck erzielen, stellt sich erneut die Frage: Was ist mit der Zinskurvenkontrolle und was kommt als nächstes? Einige in jüngster Zeit geführte Interviews mit Mitgliedern der BOJ deuten darauf hin, dass Japans Zentralbanker vermehrt darüber diskutieren, sich von der lockeren Geldpolitik zu verabschieden und eventuell sogar die Politik der negativen Zinsen aufzugeben. Wichtig wird wahrscheinlich die Zeit von Januar bis März 2024 sein. Dann dürfte der Ausblick auf die Inflation und die künftige Geldpolitik klarer werden. Nach unserer Einschätzung könnte die Abschaffung der Zinskurvenkontrolle irgendwann 2024 kommen, eventuell sogar in der ersten Jahreshälfte. Letzten Endes könnte die BOJ die Zinsen in den positiven Bereich anheben und ihre Bilanz verkürzen, aber das ist ein Prozess über mehrere Jahre.
Die Aufwertung des Yen ist absehbar
Die Dominosteine, die vor fast einem Jahr mit dem „Abenomics“-Programm aufgestellt wurden, scheinen für Japan nun endlich in die richtige Richtung zu fallen. Der Wachstumsausblick ist günstig. Dies könnte zu einer weiteren Lockerung der Zinskurvenkontrolle und letztlich zur Normalisierung der Geldpolitik führen. Aber warum ist dann der Yen so schwach? Selbst nach der letzten Änderung an der Zinskurvenkontrolle durch die BOJ blieb die anschließende Rally des Yen aus.
Aus unserer Sicht ist ein Großteil der Underperformance des Yen auf den kometenhaften Anstieg der US-Zinsen zurückzuführen, die die Maßnahmen der BOJ zur Kontrolle der Zinskurve überschatteten. Betrachtet man die Differenz der zehnjährigen Zinsen, fällt die ungebrochene Korrelation auf (Abb. 4). Anscheinend haben die Ereignisse in den USA größeren Einfluss auf den Yen als das, was in Japan geschieht. Die Zinsschritte in den USA wirken sich auf den Wechselkurs aus und verhindern eine Aufwertung des Yen. Bis zu einem gewissen Grad ähnelt diese Situation aus unserer Sicht der Entwicklung anderer Währungen in asiatischen Niedrigzinsländern und der Entwicklung des Euro.
Abbildung 4: Zinsdifferenz USA–Japan (Laufzeit 10 Jahre)
Yen (links), Prozent (rechts), Stand: 8. September 2023

Quelle: Brandywine Global, Macrobond (© 2023). Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftigen Renditen.
Wir bewerten den japanischen Yen aus mehreren Gründen nach wie vor positiv: Angesichts der hohen Inflation in Japan bevorzugt die japanische Regierung einen starken Yen. Sie hat bereits Stützungsmaßnahmen für die Währung ergriffen, und wir gehen davon aus, dass sie bei einem Wechselkurs von etwa 150 JPY je 1 USD eingreifen könnte, denn dieses Niveau entspräche nicht der Korrelation, die wir bei den Zinsdifferenzen sehen. Künftig dürften zwei weitere Faktoren dem Yen zugutekommen: Erstens nähert sich der Zinssteigerungszyklus der US-Notenbank Fed seinem Höhepunkt, sodass die japanischen Fundamentaldaten den Wechselkurs für das Währungspaar nach unten treiben könnten. Zweitens würde eine weitere Normalisierung seitens der BOJ, von der wir ausgehen, den Yen letztlich stützen.
Definitionen
„Abenomics“ beschreibt eine Reihe von Wirtschaftsreformen, die von Japans Premierminister Shinzo Abe vorgeschlagen wurden.
Die Bank of Japan (BOJ) ist die Zentralbank Japans und für die Währung Yen verantwortlich.
Der SRI-Hitotsubashi Point of Sale (POS) Consumer Purchase Price Index wird auf der Grundlage der Verkaufszahlen in rund 6000 Geschäften wie Supermärkten, Kiosken, Drogerien und Discountern erhoben, um Preisänderungen bei den Einkäufen der Verbraucher zu ermitteln.
In Japan bildet der Global Core Consumer Price Index Änderungen an den Preisen ab, die Verbraucher für einen bestimmten Warenkorb bezahlen. Dieser Verbraucherpreisindex enthält keine Nahrungsmittel (jedoch alkoholische Getränke) und keine Energie.
Der Yen ist die japanische Währung.
Die Kontrolle der Zinskurve bedeutet, dass eine Zentralbank einen längerfristigen Zinssatz anstrebt und hierfür so viele Anleihen kauft oder verkauft, wie für die Erreichung des Zielsatzes erforderlich ist.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für künftige Ergebnisse dar. Es sei darauf hingewiesen, dass eine direkte Investition in einen Index nicht möglich ist. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Renditen nicht gemanagter Indizes nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasurys) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit gesichert werden. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen werden Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung gesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste, die auf einen Rückgang des Marktwerts dieser Wertpapiere zurückzuführen sind.


