AUTOREN

Jeffrey Schulze, CFA
Head of Economic and Market Strategy

Josh Jamner, CFA
Vice President, Investment Strategy Analyst
ClearBridge Investments, New York, United States
Die wichtigsten Erkenntnisse
- Aufgrund eines durch den robusten Konsum getragenen, starken BIP-Wachstums im dritten Quartal verfestigte sich der Konsens hinsichtlich einer sanften Landung weiter. Wir bleiben jedoch vorsichtig, da der Konsum in der Vergangenheit bis zum Beginn früherer Rezessionen oder sogar noch länger solide blieb.
- Ein resilienter Arbeitsmarkt stützt den bereits kräftigen Konsum und trägt im Berichtsmonat dazu bei, dass sich der Indikator für die Einzelhandelsumsätze im ClearBridge Recession Risk Dashboard von Rot auf Gelb verbessert. Insgesamt leuchtet jedoch weiterhin ein rotes Rezessionssignal.
- Es wäre im Dashboard nicht das erste Mal, dass es nach dem Aufscheinen eines roten Signals unter der Oberfläche erst zu einer Verbesserung und dann doch zu einer Verschlechterung kommt. Dies geschah beispielsweise im Jahr 1990. Auch wenn die Konjunktur- und Gewinndaten gegenwärtig ein durchwachsenes Bild zeichnen, erwarten wir für die kommenden Quartale mehr Klarheit, da wir die Schlüsselstelle dieses Konjunkturzyklus passieren.
Hartnäckige Verbraucherausgaben sorgen im 3. Quartal für Aufwärtsüberraschung beim BIP
Das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im dritten Quartal um erstaunliche 4,9 % im Jahresvergleich und lag damit deutlich über den Konsenserwartungen von 4,5 %. Dies war abgesehen von der pandemiebedingten Erholung der Jahre 2020 und 2021 das fünftstärkste Wirtschaftswachstum in einem Quartal seit der Jahrtausendwende. Aufgrund dieser Verbesserung verfestigte sich der Konsens in Bezug auf eine sanfte Landung weiter, und die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2023 und im Jahr 2024 legten im Oktober um mehrere Zehntel zu.
Die persönlichen Konsumausgaben, gemeinhin bezeichnet als Konsum bzw. „C“ in der Gleichung GDP = C + I + G + NX (BIP = Konsum + Investitionen + Staatsausgaben + Nettoexporte), zeigten sich im dritten Quartal robust. Der Konsum wuchs um 4 % und machte im dritten Quartal mehr als die Hälfte des Wachstums der Wirtschaftsaktivität aus. In Anbetracht der hohen Gewichtung des Konsums im BIP ist es vielleicht nicht überraschend, dass Phasen mit kräftigem Wirtschaftswachstum in aller Regel mit Phasen kräftigen Konsumwachstums zusammenfallen. Überraschend ist jedoch, dass der Konsum in der Vergangenheit bis zum Beginn einer Rezession oder sogar noch länger solide blieb. Tatsächlich entwickelte sich der Konsum im Quartal vor dem Beginn der letzten acht Rezessionen positiv und blieb in fünf dieser acht Fälle auch nach dem Beginn der Rezession positiv (Abbildung 1).
Die gegenwärtige Konsumstärke ist im Vergleich zu den Erwartungen am Anfang dieses Jahres eine Überraschung. Die Kaufkraft wird durch einen robusten Arbeitsmarkt gestützt, auf dem die Zahl der Erwerbstätigen steigt und langsamere, jedoch nach wie vor erhebliche Lohnzuwächse zu beobachten sind. Für einen weiteren Impuls sorgen darüber hinaus die Verbraucher mit ihren aufgebauten Ersparnissen, die ausgehend von den jüngsten Korrekturen der Daten zu den persönlichen Einkommen und Ersparnissen insgesamt höher zu sein scheinen, als zuvor angenommen wurde. Aufgrund dieser Katalysatoren hat sich der Indikator für die Einzelhandelsumsätze im ClearBridge Recession Risk Dashboard auf Gelb verbessert (Abbildung 2).
Abbildung 1: Verbraucherausgaben können sich im Nu verschlechtern

Quelle: Federal Reserve, Census Bureau, Bloomberg.
Abbildung 2: ClearBridge Recession Risk Dashboard

Quelle: ClearBridge Investments.
Nach unserer Auffassung dürften mehrere Säulen, die einen kräftigeren Konsum stützen, in den kommenden Quartalen wegbrechen, und daher wäre es keine Überraschung, wenn das Signal bei den Einzelhandelsumsätzen letztlich wieder auf Rot umspringen würde. Auch wenn der Sparüberhang bei den Verbrauchern größer und dessen Abbau langsamer ist, als zuvor erwartet, verbleibt der Großteil dieser Bargeldbestände nach unserer Auffassung weiter bei den einkommensstärkeren Haushalten, die diese Ersparnisse als zusätzliches Vermögen und nicht als zusätzliche Kaufkraft verwenden werden. Zwar wird der Konsum auch durch die Kreditvergabe gestützt, doch für die Verbraucher wird der Zugang zu Krediten schwieriger. So berichteten in der aktuellen Erhebung der New York Fed zu den Verbrauchererwartungen 60 % der Befragten, dass es schwieriger sei, einen Kredit zu erhalten, als vor Jahresfrist.
Überdies liegt die Sparquote der Verbraucher unter der vorpandemischen Norm und fiel gegenüber 6 % in den zehn Jahren vor der Pandemie auf gegenwärtig 3,4 %. Vielleicht trägt das große Vertrauen in die Stärke des Arbeitsmarktes zu dieser niedrigen Sparquote bei, die auf jeden Fall bedeutet, dass ein größerer Teil des Einkommens ausgegeben wird. Falls sich der Arbeitsmarkt jedoch abkühlt, würden die Verbraucher sehr wahrscheinlich einen größeren Teil ihres Einkommens sparen. Hierdurch würde der Konsum ebenfalls gebremst. Diese Dynamik ist teilweise der Grund dafür, warum wir den Indikator der Anträge auf Arbeitslosenhilfe im Dashboard als den „Kanarienvogel im Bergwerk“ der Wirtschaft bezeichnen.
Nach unserer Auffassung sollte jedoch eher beobachtet werden, was die Daten uns sagen, als zu überlegen, in welche Richtung die Entwicklung womöglich geht. Es handelt sich um die erste positive Signaländerung im Dashboard, seit sich die Lage vor etwa rund zwei Jahren erstmals verschlechterte. Mit Blick auf die Vergangenheit wäre es im Dashboard nicht das erste Mal, dass es unter der Oberfläche erst zu einer Verbesserung aus dem tiefer roten oder rezessiven Bereich und dann doch zu einer Verschlechterung kommt, wenn die Rezession einsetzt. Ein Beispiel war das Jahr 1990, nachdem im vierten Quartal 1989 der schlechteste Wert des Dashboards zu Buche gestanden hatte. Auch wenn es Anfang 1990 grundlegend oder insgesamt keine Signaländerungen gab, kam es unter der Oberfläche zu einer bedeutenden Verbesserung. Im Juli 1990 setzte jedoch schließlich eine Rezession ein, und das Dashboard legte eine Kehrtwende hin und verschlechterte sich in demselben Quartal, um dann im folgenden Quartal und Anfang 1991 erneut an seinen „Tiefs“ zu kratzen. Anders ausgedrückt: Die Entwicklung verläuft nicht immer schnurstracks abwärts, nachdem ein rotes Gesamtsignal aufgeleuchtet ist.
Zufälligerweise machten wir vor mehr als einem Jahr – als das Gesamtsignal des Dashboards erstmals auf Rot sprang – auf die Rezession von 1990 aufmerksam und nannten sie aufgrund des längeren Zeitraums zwischen dem roten Signal des Dashboards und dem Einsetzen einer Rezession während dieses Zyklus eine mögliche historische Parallele. Wir waren damals der Auffassung, dass es keineswegs eine ausgemachte Sache sei, dass es wirklich zu einer Rezession kommt, vor allem, wenn die Inflation rasch zurückgehen und die US-Notenbank (Fed) früher als erwartet auf einen weniger restriktiven Kurs umschwenken würde. Auch wenn nichts von beidem eintrat, kann uns das Jahr 1990 immer noch eine Lehre sein (Abbildung 3).
Abbildung 3: Rückblick auf das Jahr 1990

Quelle: ClearBridge Investments.
Mit Blick auf die Zukunft sind wir weiterhin der Auffassung, dass die Anleger derzeit die „Schlüsselstelle“ des aktuellen Konjunkturzyklus passieren. Trotz der starken BIP-Zahlen für das dritte Quartal zeichnen die Daten zur Konjunktur und zu den Unternehmensgewinnen weiterhin ein durchwachsenes Bild von der Verfassung der Wirtschaft. Die ersten Zahlen des GDPNow-Trackers der Atlanta Fed deuten auf eine erhebliche Verlangsamung im vierten Quartal hin, auch wenn es noch zu früh im Quartal ist, um diesem Wert große Bedeutung beizumessen. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass sich das Schicksal der Konjunktur in den kommenden Quartalen klarer abzeichnen wird. Währenddessen werden wir weiterhin die – sich verbessernden oder verschlechternden – Daten beobachten und unsere Einschätzungen entsprechend aktualisieren.
Definitionen
Das ClearBridge Recession Risk Dashboard umfasst eine Gruppe von 12 Indikatoren, die zur Untersuchung des Zustands der US-Wirtschaft und der Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs herangezogen werden.
Das Federal Reserve Board (Fed) ist für die Formulierung der US-Geldpolitik verantwortlich, die Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisstabilität und eine nachhaltige Struktur für internationalen Handel und Zahlungen fördern soll.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist eine Wirtschaftsstatistik, die den Marktwert aller in einem Land binnen eines bestimmten Zeitraums erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen misst.
Das GDPNow-Modell prognostiziert das BIP-Wachstum mittels der Zusammenstellung von 13 Teilkomponenten, aus denen sich das BIP zusammensetzt. Dabei kommt die vom U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) verwendete Methode der Kettengewichtung zum Einsatz.
Bei der Erhebung der New York Fed zu den Verbrauchererwartungen werden aktuelle Informationen über die Erwartungen und Entscheidungen der Verbraucher in Bezug auf eine breite Palette von Themen gesammelt, einschließlich u. a. Inflation, Finanzlage der Haushalte, Arbeitsmarkt und Wohnimmobilienmarkt.
WELCHE RISIKEN GIBT ES?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar. Indizes werden nicht aktiv gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Indexrenditen nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen sowie soziale, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasuries) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben werden und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit abgesichert sind. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen sind Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung abgesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf bestimmte Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste durch einen gesunkenen Marktwert dieser Wertpapiere.
